[ sabotage? ein zwang, sozusagen ]

ich bin erkrankt am sabotage-zwang. oder vielleicht
ist das auch keine krankheit, sondern ein … ein hobby

das heisst, dann wäre es allerdings mein zweites
hobby, auch wenn das dekadent klingt: mein erstes
sind meine zahlreichen tätigkeiten in und an der ge-
sellschaft – ein rein humanistisches tun, wie man
das als humanistisch gebildeter eben so tut; ein
soziales getue und gefummel, sozusagen, ein hobby-
mässiges herumgemache und rumgespiele im gesell-
schaftlichen zusammenhang; ja, ein gesellschafts-
spiel, sozusagen, denn „ehrenamt“ mag ich das ja
nicht nennen. nicht so gross. und ausserdem …

das wort „ehre“ hat in deutschland doch einen bei-
geschmack bekommen, historisch geschmeckt, so-
zusagen, einen geruch oder mehr schon: einen ge-
stank, mit dem zu schmücken oder geschmückt zu
werden … also, da müsste ich schon ganz schön
professionell sein, um ihn auszuhalten, den stall-
geruck der grossen politik, sozusagen, oder auch der
kleinen. für mich, sohn eines wehrmachtssoldaten
im zweiten weltkrieg macht das wort „ehre“ allemal
nicht strammstehen und („ehr-„) furcht, sondern …
ekel. ganz profan. schliesslich musste ich als kind die
schäden ausbaden, die die verdammte ehre ihm an-
getan hatte. millionen kinder hatten väter wie ihn

aber reden wir drüber? haben wir drüber geredet?
nicht. nicht wirklich. wir haben ihn ausgehalten, den
verwesungsgestank und haben darüber geschwiegen

es ist also eigentlich ein verwesungsgestank des gros-
sen deutschen verschweigens, der das wort ehre be-
gleitet, schmückt: deutschland, stummes vaterland
 

mein zweites hobby, also, ist ein historisch weniger
belastetes: die sabotage. es ist mir zum dringenden
bedürfnis geworden, etwas kaputt zu machen. es sind
ja auch nur ganz harmlose ziele, finde ich, die allen
gut tun, wenn sie weg sind: faschistische strukturen
und rassistische einrichtungen, militaristische natürlich
auch. ganz klar, nach unseren schlimmen erfahrungen
damit. also abschiebeknäste, jobcenter, militärkaser-
nen oder polizeiautos, da findet sich an jeder ecke was

ich weiss selbstverständlich, dass ich damit kein gu-
tes vorbild bin – ja, ja, ja! im gegenteil, ich warne
ausdrücklich vor nachahmung: ausser, sie wollen
direktemang in teufels küche kommen; das lohnt
nicht: die deutsche küche ist eigentlich nicht er-
wähnenswert. ausser, wenn in allen medien über
sie geplappert wird, ein neuer „skandal“ gefunden
wurde; dann können wir sicher sein, dass die
gelehrte schweigegesellschaft zusammentritt, die
fahne hoch, die reihen fest geschlossen. zack! da
hat dann die geschichte wieder zugeschlagen …

da ziehe ich dann wieder los, eine alte socke als
lunte in den dreissigjährigen zapatistischen rum
gesteckt, den qualmenden molli am ausgestreckten
arm gegen den abendhimmel der dekadenz gereckt

… ja, es ist geradezu ein zwang. ich bekenne mich
hiermit zur sabotage. viel zu lang schon habe ich
vor wut gekotzt. ich komme out, oder wie das wie-
der heisst. aber das ist ja auch nicht so wichtig

besser ist, wir schweigen drüber. ja, papa. ja, mama
 

2 Responses to “[ sabotage? ein zwang, sozusagen ]”

  1. Hola Quijote! Mein lieber Freund,
    was ist mit Dir? Was machst du? Wo bist du? Lebst du noch?
    Judith -und ich natürlich- vermissen Dich schon seit lange.
    Melde Dich Bitte!

    Uns gehts gut, und unsere Liebe lebendig wie immer,

    Dein Pablito

  2. h sagt:

    ohne diese „hobbies“ kommen wir nie zu einer emanzipierten, freien welt.

Leave a Reply