[ dreizehnter tag ]

„mein dasein ist ein balanceakt auf der schmalen
linie zwischen der person, die zu sein man von mir
erwartet, und jener, die sich hinter ihrem äusseren
selbst verbirgt, um das alte tief in mir zu bewahren.“

(larry woiwock: ein stern, ein stein – staub)

es ist wohl angenehmer, über gras zu laufen als auf
asphalt, sagt sie, während sie, von kurzen pausen
unterbrochen, auf einer tastatur tippt, wenige zei-
chen nur, die pausen scheinen ihr bekannt, möglich-
erweise die verarbeitungszeiten eines datenverarbei-
tungsprogramms, vorgaben einer eingabemaske, na-
me des/der patienten/in, codenummer und so fort

auf meinen fragenden blick hin – unter behutsamer
drehung meines kopfes – gibt sie mir für einen au-
genblick ein lächeln. dann ist sie wieder dem bild-
schirm zugewandt: ich habe sie heute morgen vor-
beigehen sehen, unter den bäumen. und sie deutet
mit einem aufnicken zum fenster hin

was hat sie gesehen, denke ich – erschrecken, aber
ihr gesicht verrät nichts. einen moment lang hatte
ich mich beobachtet gefühlt, als ich den weg ver-
liess, um unter kiefern über moos und zweige zu
gehen, rauhreifbedeckt, um allein zu sein, um den
tränen ihren lauf lassen zu können, ohne dabei ge-
sehen zu werden, ohne nachfrage, ohne rechtfer-
tigung, ohne erklärung. ich war gegangen, um all-
ein zu sein

was in meinem kopf alles drinsteckt, wollen sie auch
nicht haben, sagt die frau zum bildschirm, dessen
bläuliches licht sie blasser erscheinen lässt; ihr la-
chen klingt unfroh und gibt ihren worten den schat-
ten einer erkenntnis, einem fremden menschen ge-
genüber ausgesprochen, den nicht mehr zu treffen
sie sicher ist. augen schliessen, sagt sie, und au-
gen wieder auf (- schweigen -) augen schliessen
(- schweigen -) und jetzt etwas kräftiger atmen

ich atme etwas kräftiger


2 Responses to “[ dreizehnter tag ]”

  1. xc sagt:

    weihnacht
    hm – oder ha
    jede/r wie s mag
    mf

    1000 dinge
    hätte ich zu sagen
    doch du weisst
    es steht nicht hier

    gruss

    xc

  2. Holdi sagt:

    Therapie ist Therapie. Auf der einen Seite sitzen die, denen geholfen werden soll. Auf der anderen Seite die, welche sich als Helfer verstehen.
    Ich habe 36 Wochen Alkoholtherapie hinter mir. Habe mich darauf eingestellt und es hat mir gut getan, zumindest in der Zeit.
    Bei Tinitus geht es vielleicht besser. Alles Gute und schöne Weihnacht.
    Armin

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