„chanson & lyrik“ (peryton solo)
café medusa
medusastrasse 16 (hinterhof), kiel
beginn: 19:00 uhr
eröffnung der „gaardener kulturtage“ (10. – 13. mai 2007)
gaarden ist ein stadtteil kiels, auf dem ostufer der förde
(einer schmalen meeresbucht der ostsee) gelegen. die
auf dem westufer liegende stadt wird von diesem kultur-
fest ebensowenig mitbekommen, sagt der spötter, wie
die bevölkerung gaardens; keine plakatwerbung, keine
ankündigungen in den regionalen monatsmagazinen …
ein kulturelles event ohne publikum und ohne widerhall?
der gaardener kulturbetrieb scheint fern dem stinknor-
malen leben und sich unter seinesgleichen selbst genug
immerhin hast du dir reichlich zeit genommen, für deine
zärtlichen ausreden. ‚katzengeschichten‘, könnte jemand
abfällig dazu sagen; aber was ist schon wichtiger im leben
als katzengeschichten? und nein: es sind natürlich keine
ausreden. es ist so. ich wusste es eh; warum sollte ich die
hoffnung aufgeben, solange es eine ahnung davon gibt?
manchmal finde ich mich selber ziemlich positivistisch ein-
gestellt; ätzend, eigentlich. aber es geht vorbei. ein anflug
von romantik im lichte eines sonnenuntergangs, im klang
der abendamsel, die dem fortgezogenen regen nach- oder
gegen die erinnerung eines vollmondes ansingt. ja, natür-
lich tun sie das. so wie katzen auch. aber lass uns jetzt nicht
wieder von katzen reden, sonst werden wir hier nie fertig …
in la république française entschied ein mehrheitsvotum für
‚kärcherisieren‘ als neudemokratische möglichkeit zur lösung
brennender fragen, in brd wird überhaupt entschieden, dass
die alten mächte ohne gnade sind und ihre macht behalten. es
wird eben so lange weitermarschiert, wie das schweigen anhält
dabei wäre es allerhöchste zeit für freiheit, denke ich und
singe davon, am rande der einkaufsstrassen, wo pomadierte
jungs sich in wortklammem spott verstammeln, um sich vor
girlies gross zu tun, die nuttiger getakelt sind als ihre aldi-
mütter, sobald sie meiner angesichtig sind – ich kenne das
schon. in manchen städten ist dies phänomen ein starkes
wenn die debile zukunft so an mir vorüberzieht, hilft nur der
lange ton, der wohlklingende schrei, damit ich nicht einatmen
muss den gärgeruch in den achseln der kleinen und der blöden
die welt ist nicht besser geworden, christian, in der zeit nach
den bomben und nicht schlauer; hans-martin schleyer, der
faschist, ist nicht getötet, sondern lebt. auch da hat der staat
gesiegt
obwohl ich wieder ‚hier‘ bin, habe ich das gefühl, nur halb zu
sein. zu viel gereist und zu weit, in der letzten zeit; ich kam
mir nicht mehr hinterher. mehr ruhe braucht der frühling
für mich. oder war es anders herum?
schreibe ich und fühle die müdigkeit stärker als zuvor. das
ist nicht die nacht, da draussen, nicht der leise regen; end-
lich fällt er, weich fällt er. ich wünschte, es wäre schnee in
der stille vergangener winter
foto: kiel, 03. mai 2007
aufnahme: svenne
angekommen. alten notenkram heraussuchen, auf taug-
lichkeit prüfen, wieder untergraben. singen. so tun, als
ob das leben normal sei. raps. es riecht nach raps, grün-
gelb, aufdringlich. und freunde drohen mit gemütlichkeit
es bleiben nur fetzen übrig, nach dem erwachen, meiner
klarsten zeit. natürlich gäbe es eine menge zu schreiben
über die irren der zeit; mir steht der eigene wahnsinn im
weg. auch: die farben des frühlings, die ich in schwarz-
weiss zu fotographieren versuche, weil sie anders nicht
zu ertragen sind. und jeder tag ohne regen frisst ein stück
vom glück; wer kann stets daran denken ohne bedrückung?
das auge irrt im grün, mein blick rast über die autobahn-
landschaft, wie losgelassen, die rechenmaschine im kopf
schiebt kalendersteine: dort gegenüber hass und hilflosig-
keit, hier ohne liebe und halt. letzte nacht träumte ich von
dir und wachte auf, weinend. da war es wieder
foto: am scheiterhaufen
friedrichshafen, 13. april 2007
staphylea pinnata, sage ich, die pimpernuss
– ist das nicht ein wahnsinnsstrauch? wir
rennen fast den schmalen weg hinauf, holz-
gesäumte stufen, um noch die letzte abend-
sonne zu geniessen, oben auf der burg
vor über zwanzig jahren war ich zum letzten
mal hier. unten am berg startet der motor
eines ps-starken motorrads. an den mauern
klammert sich der mauerfarn fest, eingebet-
tet in dichte polster von moos. ich nehme
einen langen zug, am himmel zieht ein flug-
zeug seine silberne furche, die vergeht
im nachbarort, sagt er, wohnt die s., die kam
im nachtdienst vorbei, als ich gerade einge-
schlafen war, steckte ihren kopf unter meine
decke und … fällt einem dazu noch was ein?
nein, sage ich lautlos. längs des weges blü-
hen die pimpernuss, die teufelskralle, der a-
ronstab, dessen lanzenförmiges blatt a. spä-
ter kauen wird, auf meine teuflischen rat hin
um ihn nie wieder zu vergessen. ein wenig
kauen, sage ich, aber gleich wieder ausspuk-
ken – ein totsicheres bestimmungsmerkmal
und dann lache ich mich weg, als er schrei-
end und fluchend versucht, das anhalten-
de stechen auf seiner zungenspitze weg-
zukratzen. was er nicht wusste: vor etwa
zwanzig jahren gab es an dieser stelle ein
solches ereignis schon einmal …
da bringt mir eine geschäftsfrau eine tasse kaffee auf einem
hochedlen tablett und sagt: sie sind eine bereicherung für
diese strasse. das hat mich dermassen verblüfft, dass sich
meine finger komplett in den saiten verheddern. sowas
passiert aber wirklich selten. ein solches kompliment, meine
ich. und das, wo ich doch einzig ‚open air‘ spielte, um mich
auf die kommenden konzerte vorzubereiten. auf der strasse
zu musizieren ist mir – eigentlich – viel zu anstrengend, viel
zu frustrierend
wir haben das premaster der neuen cd angehört – und es
macht mir mühe, gelassene worte für das ergebnis dieser
prüfung zu finden. besser, ich beschreibe die konsequen-
zen: falls wir nicht doch noch eine kompetente person aus-
findig machen, der es gelingt im letzten und entscheidenden
arbeitsgang vor der pressung, die architektur unserer musik
nicht zu zerstören, werden wir es selber versuchen. müssen
fragt da jemand nach meiner laune? besser nicht
bodensee … auf den bodensee passt die gesamte mensch-
heit. nach einer pause setzt er hinzu: zumindest war das
so, vor zwanzig jahren
aber die menschen sind dicker geworden, erwidere ich, und
mehr. von meinem mauerplatz aus lache ich zu ihm hinunter
er nickt bedächtig. nicht viele fragen, ob sie fotographieren
dürfen. und noch bevor der satz ausgeklungen ist, bückt er
sich wieder nach seinen kugeln, blinzelt prüfend gegen die
sonne und konzentriert sich auf den nächsten wurf
foto: auf der mathildenhöhe (I)
darmstadt, 06. april 2007
(den namen des fotographen habe ich leider vergessen!)
es wird zunehmend schwieriger, in deutschland menschen
als nazi bezeichnen zu können, ohne dafür juristisch be-
langt zu werden, wenn gar die mitgliedschaft in der nsdap
nicht mehr zum beweis ausreichen kann. sonst wäre dem
oettinger, derzeit ministerpräsident baden-württembergs, ein
solcher lapsus sicher nie passiert und dem filbinger, seines
zeichens ehemaliger ministerpräsident baden-württembergs
und – ach ja, da war noch was! – ein an todesurteilen mit-
verantwortlicher nazi-marinerichter als grusswort ins grab
mitgegeben worden: der eine oder andere todesfall ist
hoch erfreulich
so auch im falle eines hans filbinger, dereinst mitglied der
sa, mitglied des national-sozialistischen studentenbundes
und konsequenterweise später mitglied der nsdap. und
„nach dem krieg“? da machte dieser rechtschaffende deut-
sche karriere in der cdu und lancierte zum baden-württem-
bergischen „landesvater“. ein paar jährchen weiter, ein ab-
leben später, sozusagen, wurde er dann beinahe zum wi-
derstandskämpfer – zumindest im hirn eines herrn oetti-
nger, dem wir an dieser stelle schlicht vergesslichkeit und
unberührtsein von jeglicher erkenntnis aus der geschichte
unterstellen wollen, womit er sich ganz in neu-deutscher
tradition bewegte. formulierte ich schärfer den gedanken
geistigen brandstiftens aus … mir drohte ein verfahren
wegen verleumdung. oder wegen abschneidens reaktionär
ausdünstender ehre
es mag also hinzugefügt werden: in manchen fällen zieht
sich das warten auf ein ableben in quälende länge; früher
wäre besser
und dann war da noch dieser ernesto wollenschläger, ein
rechter patriot, der, wie schon andere seines schlages vor
ihm, versuchte, seinen geistigen kot in meinem gästebuch
abzusetzen. selbstverständlich vergebens. in einem kom-
mentar schrieb ich unlängst – und blieb damit brandaktuell:
„und wie schreibt sich ‘widerstand’ korrekt? genau. hohle
glatzenkacke … steinbach: versagt! setzen!“
norbert steinbach hat versagt. er sitzt tatsächlich (das ent-
nahm ich den ausscheidungen des wollenschläger) in der
„forensichen Psychiatrie Haina-Gießen“. a hard life for a
bonehead. kalt am kopp, vermute ich, und augenblicklich
ziemlich einsam
andere psychopathologisch auffällige haben ebenso we-
nige, wie unangenehme freunde, leben derzeit aber weit
geselliger und sind in ihrem wahn ungehemmt aktiv als
– nur ein beispiel – innenminister. a hard life for dummies
ihr wartet? ich auch. das neue album kommt bestimmt …
damit ihr weiter daran glauben könnt, gibt’s den anfangs-
titel zu hören, brennfrisch vom premaster, sozusagen:
„dann kann ich bleiben“ (mp3; 8,1mb) (ogg; 5,9mb)
aber der eigentliche grund für diesen hör-eintrag ist k. –
dieser chanson soll ihr mut machen und kraft geben und
sie, vielleicht, ein wenig begleiten
es war ein prozess, der ungewöhnlich endete: mit einem
freispruch. in seiner mündlichen urteilsbegründung würdig-
te amtsrichter wolf mein verhalten als „lobenswert“, meine
motive als „nachvollziehbar“ und „glaubwürdig“ – hingegen
die aussagen der gegen mich als zeugen aufgetretenen po-
lizisten als „widersprüchlich“ und „zweifelhaft“. gleichwohl
bewertete er den einsatz der polizisten als gerechtfertigt
und meine befürchtung eines gewalttätigen übergriffs (der
im prozess allerdings unüberhörbar bestätigt wurde) als
fehleinschätzung. er folgt meiner darstellung, eine verleum-
dung der polizisten habe nicht stattgefunden: „die aus-
sage, dass ‚die polizei schnell mal zuschlage‘ ist nicht zur
verleumdung einzelner personen geeignet, weil sie einen
viel zu grossen kreis umschreibt“
„in dubio pro reo“ begründete der richter abschliessend
seine entscheidung – und machte damit sein urteil gegen-
über der staatsanwaltschaft nahezu unanfechtbar
am ende hatten wir alles auf eine karte gesetzt. die zwei
polizisten hatten in der zeugenvernehmung ein jämmer-
liches bild abgegeben, der vorwurf der verleumdung („die
heidelberger polizei ist bekannt dafür, dass sie gern zu-
schlägt“) schien also vom tisch, aber es war unklar, wie
der richter meine äusserung „mir ist bekannt, dass die
polizei in solchen situationen gern mal zuschlägt“ bewer-
ten würde; es blieb nur der weg nach vorn
das filmreife plädoyer meines verteidigers° rief noch einmal
die widersprüche in den aussagen der polizeizeugen in er-
innerung, beschrieb, wie eine bedrängungsituation erst
durch das erscheinen der polizeikräfte entstanden war und
wie sie eskalierte, schlug den bogen zur alltäglichkeit ge-
walttätiger polizeilicher übergriffe – insbesondere gegen
mitglieder sogenannter gesellschaftlicher randgruppen –
und leitete daraus eine rechtfertigung für mein handeln ab
in meiner abschliessenden stellungnahme stellte ich die
normalität alltäglicher polizeiübergriffe gegen die notwen-
digkeit, hinzuschauen, einzugreifen, alltagsgewalt zu ver-
hindern – auch, um konsequenzen aus der deutschen ge-
schichte zu ziehen. ich beschrieb die notwendigkeit der
kontrolle staatlichen handelns, setzte soziales engagement
und zivilcourage gegen die versuche der einschüchterung
und beharrte darauf, in vergleichbaren situationen erneut
einzugreifen, um meinen lebensidealen eines gewaltlosen
miteinanders zu folgen: „ich lasse mich für das ideal von
gewaltlosigkeit nicht verurteilen“
° martin heiming (heidelberg)
ring frei: zweite runde, morgen, ag heidelberg, saal 6, 9:30 uhr
ein geschenk bekam ich morgens angetragen, mit dem er-
wachen: fortan klingt mir der tinnitus auf beiden ohren
„boah, hab eben von der galactica-crew in meinem garten
geträumt. starbuck ist ja so geil! die hat mich am ende (des
traums und der welt) bei einem atombomben-ähnlichen
kahlschlag ganz fest in den armen gehalten. boah!“
die sonne beschien den kleinen platz an einer strassenmün-
dung. gute akustik machte das publikum erträglich; ich sang
für mich. einige zögerten, einige blieben – ich spielte, mir
selbst zu gehören: ich bin, sie ist mein leben, die musik
und wohl schien mir die sonne. ich konnte dich und mich
und alle welt vergessen