Archive for 2004

[ en cevennes ]

Sonntag, August 29th, 2004


 

ein roter hund scheisst im schatten der
platanen vor `paroisse saint pierre

der friedhof döst in seiner mittagshitze, an
den felshang gelehnt, riecht
nach thymian und alten leuten

kühler wind von west
flüstert in den gassen, verrät
mir den nahen herbst:
da will ich, da muss ich
noch bleiben
 


 

fotos: le vigan, 29. august 2004


[ freedom of speech: kämpfen statt kuscheln ]

Dienstag, August 24th, 2004

angehörige und unterstützerInnen der sekte `universelles leben´ (ul) werden am sogenannten tierrechtskongress in wien, 16. – 19. september 2004, teilnehmen. – die kampagne `freedom of speech´ zur positionsbestimmung einer linken tierrechts-/tierbefreiungsbewegung (auszug aus einem brief)

die gemeinsame teilnahme an kongressen und ähnlichen veranstaltungen gibt […] den „falschen“ gruppen (hier: `ul´) ein podium. gibt ihnen eine öffentlichkeit zur darstellung ihrer positionen. gibt ihnen eine scheinbare akzeptanz. dies ist nicht in unserem erklärten interesse und kann nicht im interesse einer linken tierrechts-/tierbefreiungsbewegung sein

eine progressive tierrechtsbewegung kann sich erst dann erfolgreich nach aussen vermitteln und wachsen, wenn sie klar erkennbare ziele vertreten und verfolgen kann

=> freedom of speech < =

=> tierrechtsaktion nord < =


[ salamanderkram ]

Sonntag, August 22nd, 2004

ein nachtrag zum 09.08.2004

das folgende erreichte mich von ulrike, nummer 1 von 2 der wiehler ‚freilandhühner‘

„der salamanderkram ist nicht geschrien. an keiner stelle. aber ich hab dir mal ne kassette mit den einzelnen „spuren“ geschickt, da müsste irgendwo nur der „gesang“ drauf sein. vielleicht hörst du es dann auch. oder so wie ich vielleicht die stelle, wo das huhn geköpft wird und dann aufs dach flattert, um in den himmel zu kommen und ein wenig arbeit abzunehmen, dem gott.“

ehrlich gesagt, ulrike, ich hör immer noch nix. zumal die
kassette irgendwo liegt, ich aber hier bin, weit entfernt

gestern hab ich eine eidechse gesehen, samaragdgrün
war sie. gesprochen hat sie nicht. aber das gehört wohl
nicht hierher


[ erdbeben ]

Samstag, August 21st, 2004

„in hessen hat sich in der vergangenen nacht ein leichtes erdbeben ereignet. betroffen war das gebiet zwischen gross gerau und gernsheim. das beben erreichte eine stärke von 2,8 auf der nach oben offenen richterskala. über schäden wurde nichts bekannt.“
(gedächtnisprotokoll einer heute vormittag über swr-kontra verbreiteten radiomeldung)

das klingt bedeutungslos, nicht wahr? ein leichtes beben mit stärke 2,8. ein leichtes rütteln, irgendwo in der nähe von darmstadt. unwichtig. dennoch gewichtig genug, um trotz der grossen weltnachrichten und gegen die konkurrenz olympischer medallien alle viertelstunde wiederholt zu werden

die meldung war, so behaupte ich, nicht vollständig und ergänze daher:

etwa zehn kilometer südlich gernsheim befindet sich das kernkraftwerk biblis. der reaktorblock a ist bereits seit 1974 in betrieb und somit einer der ältesten in deutschland noch betriebenen reaktoren. aufgrund eines anstiegs technischer probleme und betriebsstörungen geriet der reaktor zunehmend in die diskussion. eine kritische `greenpeace´-studie bemängelt unter anderem die versprödung des reaktordruckbehälters, schäden an rohrleitungen und risse in den steuerstabdurchführungen im druckbehälterdeckel. kernkraftgegner fordern bereits seit jahren die sofortige stillegung. kraftwerksbetreiber, landesregierung und bundesregierung halten ungeachtet der zunehmenden proteste an einem weiterbetrieb der anlage fest

das letzte beben im darmstädter bereich wurde erst eine woche zuvor registriert, am 12.08.2004, 16:35 uhr, mit der stärke 2.4. erdbebenereignisse im bereich tektonischer bruchlinien haben in deutschland innerhalb der letzten jahre spürbar zugenommen. seit dem bau der ersten atomkraftwerke wurde die möglichkeit einer erdbebengefahr an innerdeutschen kraftwerksstandorten von seiten der betreiber und der jeweils zuständigen regierungsbehörden vehement bestritten

=> hessen-baden-plenum < =

=> bundesverband bürgerinitiativen umweltschutz < =

=> landesamt für geologie, rohstoffe und bergbau baden-württemberg < =


[ sms aus den bergen ]

Freitag, August 20th, 2004

„hej du, war grad in der schweiz auf der alm kühe melken und geh jetzt noch den westweg wandern. hoffe, bei dir ist alles gut: musik, leben, sommer + liebe“

um mich herum dreht sich das chaos; eigentlich immer
das gleiche. und mit der liebe: auch immer das gleiche

ich bin, was liebe angeht, sehr nachtragend. sehr kon-
servativ, haha. (böse zungen bezeichnen das als `treu´)

kurz: ich lebe unverändert


[ aire de jeux ]

Freitag, August 20th, 2004

– aire de jeux –
 

foto: pont d´herault, 28. august 2004


[ musik auf den strassen ]

Donnerstag, August 19th, 2004

die wachsen auf mit gesten und grimassen

der blick des vaters voller wärme
prächtige vaterhände, gross, flink und beredt
seine tochter, bunt bezipfelte zöpfe in den schwarzen
locken, starrt mich vom nebentisch aus an. ein lächeln
aus schrägen augen mitten ins herz

`für euch würde ich gerne spielen, nur für euch´

ihnen gegenüber sitzt eine frau mit beweglichem mund
offenem gesicht, die aufzugehen scheint in aufmerksam-
keit für diese kleine familie. der interessierten serviererin
erklärt sie, dass vater und tochter gehörlos sind und stumm

auch für sie möchte ich spielen und für die serviererin, die
trotz ihrer arbeit zeit findet zur nachfrage – so gehe ich
davon: sprachlos

etwas später bleiben sie vor mir stehen
haben mich wiedererkannt, sie lachen. hören mir zu. werfen
ungelenk münzen in den gitarrenkoffer

sie lehren mich die gebärde „danke“


[ gierig leckt die sonne ]

Samstag, August 14th, 2004

wir haben über tage und nächte an den rechnern gesessen, du am einen und ich am anderen ende dieser republik. haben nachrichten und daten hin- und hergeschickt, geschrieben, gebastelt, geschimpft, gelobt, ent- und verworfen. jetzt bist du krank geworden und ich habe schlagartig ein riesenschlechtes gewissen, daran nicht unbeteiligt – `schuld´ – zu sein: zu viel gefordert

gierig leckt die sonne tränen
von deiner haut

schau nicht hin
höre nicht auf mich
komm nicht zu nahe: nein
ich schlafe nie
gleich einer spinne
unbewegt, bereit zum letzten kuss
leckt gierig die sonne

weine nicht, katzenauge
weine nicht


[ versprochenes ]

Dienstag, August 10th, 2004

drei fotos haben mich inzwischen erreicht: zwei
vom konzert in berlin-pankow (‚zimmer 16‘), eines
vom konzert auf dem ‚latschprojekt‚-camp nähe neustrelitz

das eine der fotos (alle von peter bleith ©) gibts
hier, die beiden anderen nachfolgend:
 

– daniel verdier und peryton (himself) vor dem konzert –
 

– daniel verdier und peryton nach dem konzert –


[ hirntod ]

Dienstag, August 10th, 2004

– oder – [ wenn der kopf schon hinüber ist, der körper sich noch wehrt ]

ist „schreibtod“ ein angemessener begriff für jenen zustand der schreibblockade, der eintritt, wenn der wortgebärungszwang zu gross geworden ist? als wort für eine universale dimension des empfindens: dieses übermächtige schweigen. existentielle angst vor bleibender unfruchtbarkeit der sinne. die jedoch in aller regel endlich ist und nicht, wie im todesfalle, endgültig. auch wenn immer noch wunder- und abergläubige – jeglicher evolution der rationalen vernunft zum trotz – bis heute behaupten, dass der tod gerade dies nicht sei. allerdings ist der einzig gültige beweis stets und nur persönlich anzutreten. am ende, eben

der begriff „montagsdemonstrationen“ kann schreibblockaden durchaus lockern. erschüttern geradezu die reaktionen der aktuellen regierungsvertreter, von denen äusserungen vernehmbar werden, denen vor allem ihre persönliche betroffenheit zu entnehmen ist. doch: herzhaft böses lachen lockert ungemein

aber was ist passiert?

die staatstragenden parteien fast aller couleur mühten sich redlich, ein programm zum abbau letzter verbliebener reste von sozialstaatlichkeit zu entwickeln, damit es den armen endlich richtig scheisse gehe und den reichen – nicht. nun sind sie überrascht, die um das wohl des staates bemühten – ja, geradezu empört – über reaktionen aus betroffenen teilen der bevölkerung: die gehen nämlich auf die strasse. und bezeichen diese aufzüge gemeinerweise als „montagsdemonstrationen“ … was für eine respektlose frechheit. jaaaaa – früher, als montagsdemonstrationen noch gerechtfertigt waren, – damals und „drüben“ – ging es schliesslich gegen das regime, ging es um die freiheit …

wäre es bei diesem einen aufschrei geblieben, wäre das lethargische hirn nach kurzem blinzeln, gähnen und strecken wieder hinweggedämmert. doch es folgte weitere unruhe: axel–springer–verlag und spiegel–verlag treten gemeinsam gegen die neue deutsche rechtschreibung an. sie verkünden, zur «alten schreibweise» zurückzukehren. was der geschäftsführer der rechtschreibkommission, klaus heller, «unmoralisch» findet. der vorsitzende der „zwischenstaatlichen kommission für deutsche rechtschreibung“, gerhard augst, warnt gar vor einer rücknahme der neuerungen. er hält es für «unverantwortlich», die rechtschreibreform noch zu kippen. im „deutschlandfunk“ sagte er, er habe angesichts der diskussion den eindruck, dass es vielen nicht um die rechtschreibregeln gehe, sondern um einen allgemeinen reformunwillen. die meisten menschen wüssten gar nicht, was sich durch die reform ändere

aaah – ja. so haben wir ganz fix den weg zurück zu den „montagsdemonstrationen“ gefunden. denn das behaupten jene, die stets bemüht sind, ihren staat im schönsten glanz poliert erscheinen zu lassen, die „obersten staatswichser“ also, auch: das gemeine „volk“ ist zu blöde. und zu frech

ich war und bin ein gegner der aktuellen rechtschreibreform. einer meiner vielfältigen gründe ist der verlust von ursprungs- und entwicklungsbezügen vieler worte oder redewendungen: ein erneuter, ein unverzeihlicher verlust von geschichte, von sprachlicher und kultureller identität

der schulterschluss von „bildzeitung“ und „spiegel“ bedeutet keine hinwendung zu progressiver sprachlicher avantgarde. ganz im gegenteil: in krisenzeiten erblüht die reaktion allerorten – auch auf diesem feld. «aus verantwortung für die nachfolgenden generationen empfehlen wir auch anderen die beendigung der staatlich verordneten legasthenie und die rückkehr zur klassischen deutschen rechtschreibung», so der vorstandsvorsitzende der axel springer ag, mathias döpfner und der chefredakteur des nachrichtenmagazins „der spiegel“, stefan aust

hirntod: wenn der kopf schon hinüber ist, der körper aber das nicht merkt


[ blog-in ]

Montag, August 9th, 2004

dieses „tagebuch“ ist eine verbeugung vor jenen
freundInnen unserer musik, die lange schon ein
mehr an geschichten fordern. erzählungen, noti-
zen, kurze betrachtungen, die den prozess ver-
ständlich machen – vielleicht verständlich machen –
warum, wie und wann meine chansons entstehen

versuchen kann ich es, versprechen aber nichts
 

 


dies tagebuch ist eine reminiszenz an meine
(total bekloppte) zeit als jugendlicher, als fan
bestimmter musikstile, bands und personen

nur was die menschen selber – von sich selbst –
erzählen, kann authentisch sein. muss es aber
nicht. auch bei mir – das ist hiermit versproch-
en und garantiert! – ist der grösste teil meines
hier erzählten lebens erstunken und erlogen


ja klar, so funktioniert unser leben doch: wir
lügen uns die wirklichkeit zurecht. wir lügen
uns klug und schön. cyber-schön


wer das lesen will: selbst schuld. ich, jeden-
falls, habe euch wortreich gewarnt

… also dann – es beginnt …
 

 

die peryton real-unplugged tour

zwei konzerte am vergangenen wochenende:
daniel hatte extra für diese tour einen banjo-
bass konstruiert, ich extra eine neue akustik-
gitarre gekauft. (übrigens eine ganz hübsche
`musima mf6´.) die sorge, dass meine seit
monaten angegriffene stimme nicht durchhal-
ten könnte, wurde dadurch leider nicht kleiner

eines der konzerte lief hier, von berlins kunst-
und musikszene gänzlich unbemerkt. ausser
den fünf persönlich geladenen freundInnen
kam kein mensch. der lockruf der biergärten
war an diesem ersten warmen freitagabend
seit wochen erfolgreicher als der unbekann-
te charme unserer unbekannten chansons

dennoch konnte ich viel lernen. wie schwer es
ist, zum beispiel, in einen leeren raum hinein
zu singen. oder zu sprechen. wenn das ge-
räusch des eigenen atems den anklang des
peinlichen bekommt. wenn das publikum fest-
gefroren scheint. wenn die zwischentexte ein-
samer monolog bleiben

aber auch, dass die „freilandhühner“ (eine der
beiden – ulrike – war als gast anwesend) auf
ihrem klangbeitrag zu unsrer cd im hinter-
grund gesungen haben. nein, sogar geschrien

„alle miteinander, alle salamander, alle durch-
einander, töten“. was für ein text. und wir, wir
haben das noch nicht einmal herausgehört …
 

das zweite konzert fand hier statt: daniel und
ich bauten kurz vor dem konzert eigenhän-
dig die provisorische bühne auf und wurden
dafür mit überraschend guter akustik und
einem grandiosen publikum belohnt. wir be-
lohnten das publikum wiederum mit einem
gut gelaunten drei-stunden-konzert bei ker-
zenschein und vollmond

in der pause fragte mich eine zuhörerin: „was
ist `glück´ für dich?“. das nehme ich als gross-
es kompliment; sie hat wohl sehr gut zugehört
 

sie hielt übrigens durch, die stimme
 

… ach ja: sobald mich fotos erreichen, schie-
be ich sie nach. versprochen