[ grüsse aus der anstalt ]


 

gestern morgen beim einkleiden in ein dünnes
leichenhemdchen: ich durfte mit einem stift die
richtige – rechte – körperseite markieren für
den fall, dass der operateur ein rechts-links-ver-
wechsler sei. oder nicht genug zeit hatte meinen
beipackzettel zu studieren, dachte ich. oder
einfach zu müde war. ich entschied mich sofort
für die klare linie, ein schlichtes, überzeugendes
„x“; kein smiley, nein, kein scherzhafter phallus
impudicus. ausserdem bekam ich zum „engels-
hemdchen“ einen schmalen lappen gereicht, den
ich beinahe für eine letzte katzenwäsche einge-
setzt hätte. (besser, den herrn operatus nicht
olfaktorisch zu irritieren.) das fähnchen stellte
sich als grobmaschigsten hauch hocherotischer
genitalbedeckung heraus, derart transparent, dass
auf dieses textile paravant gewiss ohne einbussen
zu verzichten gewesen wäre. darum dies, mein
schlichtes „x“, in keinster weise missverständlich

zur beruhigung sein angemerkt, dass mir meine
rektale unerfahrenheit wohl schadlos erhalten
blieb. zumindest blieben mir verdächtige spuren
bislang verborgen. (ist die redewendung „was
ich nicht weiss, macht mich nicht heiss“
etwa
auch in ebensolch zwischenmenschlicher aus-
richtung zu interpretieren, herr doktor freud?)

ich trage nun – gefühlt – eine offene packung ra-
sierklingen im bauch, dafür ist mein rechter ober-
schenkel vollkommen taub. scheiss egal; auf das
bisschen sensibilität kann ich gerne verzichten!

auf dem weg abwärts zum operationssaal hin – ich
lag bereits rücklings und wehrlos auf einer roll-
bahre – meinte eine krankenschwester fröhlich:
„verraten sie bloss nichts von ihrem organspende-
ausweis. denen da unten kann man nicht trauen!“
 

heute. ich grüble über der frage, ob das aufwachen
aus meiner narkose nicht doch ein kunstfehler war

 

foto: 2 Uhr 47. der zimmernachbar spricht im schlaf
kiel, 30. oktober 2016


One Response to “[ grüsse aus der anstalt ]”

  1. Lülü sagt:

    welches aufwachen?

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