Archive for 2007

[ solo für zwei stimmen ]

Mittwoch, November 21st, 2007

wen ich trotz aller lieben, trotz aller zärtlichen scharmüt-
zel suche? dich. doch du verweigerst dich, entziehst dich
mir im traum, aufs neue jede nacht; abschiede, getrennt-
sein, schweigen, schmerzvolle varianten des scheiterns

dies ist eine jener stimmen, die in meinem kopf zu sing-
en begonnen haben, berauschender chor, unhörbar für
fremde, lauter als alle wirklichkeit, schrill, schmerzend:

mein tinnitus, mein innerer wasserfall, mein taubender
schrei um antwort nach dir, nach mir. nach mir. nach mir


[ mood: naked ]

Dienstag, November 20th, 2007

novemberkältegrau. drei obdachlose lachen unter kah-
len bäumen, einer zeigt auf meine blanken füsse: ha-
ste die frisch beschlagen lassen? wir lachen gemein-
sam, ich eile weiter: ein peryton ist immer unterwegs

das café erstrahlt in neuer farbigkeit. gelbgrün. trotz-
dem fühl ich mich wohl, wärme meine hände am kaf-
fee, setze die brille ab und starre blöde vor mich hin

hol mich hier ab, sage ich, lass uns nochmal so tun
als wären wir uns nah, hol mich hier raus. ein schluck
kaffee drückt mir das brennen weg, im hals, ein letz-
tes schlückchen hinterher, dann ist die tasse leer. du

hörst mich nicht mehr, sag ich und spüre den vorwurf
darin wie einen stich. schorsch, rede mit mir, sagtest
du, irgendwann, und: bitte. damals, weisst du, konnte
ich dich nicht hören. tür auf, tür zu. novemberkältegrau


[ peryton versus das politische lied ]

Montag, November 19th, 2007

wurde ich gefragt, ob ich mich bewerben wolle für ein
„festival des politischen liedes“. aber parolen wie „join
the revolution“ oder „change the world“ sind in meinen
augen so grundpeinlich, dass ich ganz bestimmt nicht …

im gegenteil bringt mich das zur aussage, ich schriebe
keine politischen lieder. fertig. und keine dümmliche lie-
dermacherschlagerscheisse. „so einfach ist es manch-
mal, entscheidungen zu fällen – wenn sie nicht wirklich
welche sind … und wer sagte da letzthin, die musikbran-
che läge am boden? das wundert mich allerdings nicht“


[ schnaps? nein, anders. rum ]

Sonntag, November 18th, 2007

lass uns betrinken, sagt sie, holt den rum, der mit blauer
flamme brennt im glas. ein fürchterliches intro, denn bald
spiele ich klavier (ich kann das nicht), danach den einzi-
gen chanson, den ich auswendig singen kann und dann …?

es ging nicht lang. wir hingen auf zwei sofas und erzähl-
ten, irgendeiner kam und irgendeiner ging, irgendwann

ich mag dich, sagte ich und sie: ich mag dich auch. da
floh ich meinem planeten hinterher, bevor sich der in
unbekannte galaxiennebel stürzen konnte, ohne mich

bedauern, jetzt? ach nein. mein kopf brummt heute an-
dersrum als sonst; mir fehlen kleidungsstücke, was mich
beunruhigt, weil ich sicher war, dass … ich brauch kaffee


[ … ]

Samstag, November 17th, 2007

du fehlst mir. die wellen werfen sich grimmig auf in der
förde, der schneesturm treibt mir tränen ins gesicht. du
fehlst mir immer noch. hörst du? ich muss dich verges-
sen, denke ich. vorübergehende werfen fragende blicke


[ cd „peryton“ 2008. gute aussichten ]

Freitag, November 16th, 2007


 

links oben, die silbernen punkte, das ist blindenschrift

noch fragen? gut: das master ist in arbeit (was ich bis-
her hörte, klingt schon fast ‚fertig), mit einem platten-
label verhandle ich noch und der termin zur veröffentli-
chung liegt noch nicht fest. märz, sagt ihr, wäre dafür
ein guter monat? gut. streiten wir nicht. ein wenig frü-
her, vielleicht, oder ein wenig später. aber sie kommt
 

foto: cover-entwurf zur cd „peryton“ (2008)
cover-idee: peryton; umsetzung: voice-design


[ wenn juli am november liegt ]

Mittwoch, November 14th, 2007

ich kenn dich nicht; trotzdem hab ich von dir geträumt
letzte nacht. warum? der herbst fällt manchmal auf den
frühling … ‚rein; ist das unser grund? sei’s drum: wenn
juli am november liegt, geht alle moral tiiiierisch flöten


[ ein gruss an m., ein gruss an euch ]

Sonntag, November 11th, 2007

du fragtest nach morgen? also nach heute. heute – nach-
her, gleich, eigentlich sofort – fahre ich gen norden. und
zwar, sobald ich meine wäsche sortiert und im auto ver-
staut hab, neben zwei gitarren, laptop, scanner und tau-
send unnötigen dingen, die ich den winter über zu brau-
chen glaube. ab ende dieses monats wohne ich in einer
klinik, um unter anderem meinem tinnitus auf den leib zu
rücken, der mir meine ganze musik aus dem kopf spült;
da ist nur noch lärm drin, keine melodien und keine träu-
me mehr. weil musik und träume mein leben (und eben
meine arbeit) sind, muss ich was dagegen tun, bevor ich
komplett durchdrehe. tja; das alles mach ich. mehr nicht

aber ich werd dann und wann in einem internetcafé sitz-
en, werde (hoffentlich) den einen oder anderen blogtext
schreiben und – ach ja: die treue, alte kamera ist natür-
lich wie immer auch dabei – neue fotos ins netz stellen

… du kannst übrigens nicht wissen, dass darmstadt eine
meiner liebsten städte ist. auch wenn ich nur ganz selten
dort bin; und wenn, dann spaziere ich über die rosenhö-
he und setze mich zum träumen unter kahlen rosenstök-
ken auf die steinernen treppenstufen, neben den modrig
duftenden lavendel vom vergangenen jahr

so. jetzt rennt die letzte zeit mir weg und reicht nur noch
für einen schnellen, aber lieben gruss an dich. versproch-
en: wir hören wieder – lesend – voneinander. peryton


[ leichen pflastern ihren weg … ]

Freitag, November 9th, 2007

… denn wo sie geht, da fallen ihr die herzen zu, da wer-
den blicke dümmlich und die männer blöd. das wär gar
köstlich anzuschaun, wenn mir die freunde nicht wie flie-
gen stürben, einmal auf ihren süssen leim gelangt. ach …
und auch zu kochen weiss sie, dass man(n) gar bieder
werden kann. es laufen säfte mir, wenn ich an gestern
abend denke, nicht nur im maul zusammen, das blut
wird heiss und drängend mir. kurz: im freundeskreis, am
küchentisch, da tobt der übermut, ihr handy klingelt draus-
sen und ich flüst’re hinterher (die tür im rücken): was wird
er sagen, wenn er lesen muss, ich habe dir die hochzeit
angetragen? da lachen wir. doch hab ich nicht. nicht ernst-
haft. was vielleicht ein fehler war? nein, sag ich. und leide

dann wieder bahnhof, bahnsteig, aus der umarmung, aus
der nähe lösend. du bist mein liebster abschied, sage ich
und fahr‘ mit blicken sehnsüchtig ein stückchen hinterher

ganz heimlich. müde bin ich, himmel grau, so ist es gut


[ konzert am 09. november fällt aus ]

Dienstag, November 6th, 2007

aus technischen gründen muss das für den 09. no-
vember 2007 angekündigte konzert im „café ge-
gendruck“ (heidelberg) leider abgesagt werden


[ leben, suchen … und all das ]

Sonntag, November 4th, 2007

„du filterst ja immer sehr genau, was du wem aus
deinem leben preisgibst (na, das war doch echt noch
ganz schön nett formuliert. ich hätte ja auch sagen
können: du alter sack erzählst deinen freunden eh
immer nur, was dir passt)“

tatsächlich: genau so ist es. machen das nicht alle so??


[ nie gekannte badewannenwelten ]

Samstag, November 3rd, 2007

ich bin in dich verknotet, sage ich. und sie: verknotet auf
den ersten blick. was, frage ich schwerhörig, auf den er-
sten fleck? blick, sagt sie. verknotet auf den ersten blick

nach diesem badewannenmorgen, an dem ich beschlos-
sen habe, die universale glaubensgemeinschaft der ba-
dewannenmenschen zu gründen – was ich ihr wortreich
erläutern musste – kann ich mit diesem gefühl nichts an-
fangen, am bahnsteig, in erwartung der s-bahn, die sie
weiterbringen wird. was denkst du schwerwiegendes, fra-
ge ich und weil sie schweigen will, drängend: du wolltest
gestern auch alles von mir wissen. wie es weitergeht? sie
sagt das so, dass es mehr nach einer frage klingt. ‚omm‘
brumme ich, sie stösst mich in die rippen und wir lachen

schweigend läuft die zeit. ich hasse abschiede, sage ich, o-
hne sie anzuschauen. dann winken wir uns durch die fen-
sterscheiben ein fremdes ‚lebewohl‘, der zug bescheunigt
nach westen hinaus, ich betrete eine rolltreppe. aufwärts


[ hagalaz ]

Mittwoch, Oktober 31st, 2007

jacques derrida und hagalaz. poststrukturalismus und die
rune der elementaren zerstörung. da ist dieser herbst mit
seinem lichten grau vor schneebedeckten gipfeln, dort

die augenblicke gemeinsamer ruhe in einer unwirklichen
welt. es ist ein wenig wie früher; dass es mir gut tut, will
ich nicht eingestehen. das ist alles lang her. wohin, weiss
ich nicht, wann schon. (obwohl es mir leid tut: einige von
euch werden auf antworten warten müssen. nehmt es bit-
te nicht persönlich; auch mit mir selbst spreche ich kaum)


[ das schweigen der alraunen ]

Samstag, Oktober 20th, 2007

und wie geht es ihnen inzwischen, frage ich, beuge mich
bis zur schreibtischkante vor, was ihn veranlasst, weiter
ausgreifend vom verlauf seiner erkrankung zu berichten

wir sollten uns in die selbe klinik begeben, um uns bei
schachspiel, häkeln und gesang zu erholen, schlage ich
vor. später verabschieden wir uns – arzt und patient –
mit dem gegenseitigen wunsch zur ‚guten besserung‘


[ wüsten und mauern ]

Freitag, Oktober 19th, 2007

es ist ja so eine sache, sagt sie, mit den bildern, die einem
kommen – wie entstehen sie? kommen sie aus dem, was
sie erzählten, aus ihren worten oder aus mir selber? jeden-
falls habe ich das starke bild einer verwüstung vor augen

als ich die tür öffne, klingt von draussen das nachmittags-
spiel der spatzen herein, die unsichtbar verborgen im blät-
terwerk des efeus leben, der die mauer vor dem fenster
überwuchert. in diesem augenblick bin ich angekommen


[ angelegentlich. der vater (II) ]

Sonntag, Oktober 14th, 2007

„ich weiss, du mochtest meinen vater nicht und
vielleicht kannst es vielleicht jetzt nicht verste-
hen, aber er ist heute gestorben und ich habe
den kopf voll … donnerstag ist die beerdigung“

dass ich ihn „nicht mochte“ ist schon irgendwie
richtig – aber ich muss den mann, der sein kind
zur befriedigung seiner lust benutzte, auch nicht
‚mögen‘, oder? ich finde es unfair, dass er ein-
fach so abhauen konnte, bevor du ihm ins ge-
sicht gesagt hast, was er für ein widerlicher
mensch gewesen ist, auch wenn er in seiner
männlichkeit sich nicht von den meisten vätern
unterschied. ich musste ihn nicht mögen. dass
allerdings du noch glaubst, so etwas wie ‚liebe‘
für ihn empfinden zu müssen, nach all dem …

ich fände es durchaus angemessen, spucktest
du ihm hinterher, statt blumen, in sein grab. we-
nigstens diese geste. verstehst du? nur für dich


[ … und die heimat der anderen II ]

Samstag, Oktober 13th, 2007

naturgemäss können wir unsere lösungen auch nicht in
der suche nach ihr finden, setze ich am ende einer un-
ruhigen nacht vergessener träume hinzu und mit der le-
bendigen erfahrung, dass dein einsames abendrot nicht
das ende aller tage sein kann, wohl aber … ein zuhause


[ … und die heimat der anderen]

Freitag, Oktober 12th, 2007

eine spannende begegnung in kiel: murat müftüoglu. un-
bedingt anhören, lautet meine musikalische empfehlung

und was ist eigentlich ‚heimat‘, unterbricht er den rede-
fluss seines freundes. das, wovon wir fortgehen, oder
das, wo wir hinwollen, frage ich. wir finden keine lösung


[ die berge sind in den wolken ]

Donnerstag, Oktober 11th, 2007

„ich sitze im dachstübchen, es regnet, die berge
sind in den wolken verschwunden. alles ist gut“

lese ich, aber es ist bereits zu spät zum zurück-
schreiben. zumal ich noch auf der suche bin, mich
nicht festlegen kann. ich will sagen, dass es mir
gut tut, dich zu kennen und euch, will allgemein
sagen, dass es gut tut zu lieben ohne angst –
ja, inzwischen geht das; kommen, gehen, kein
festgehaltensein und keine sehnsucht über alle
wehre hinweg. ja. aber ‚gut‘ ist es … noch nicht


[ feuerkopf, undeutsch ]

Dienstag, Oktober 9th, 2007

die türken behandeln mich noch schlimmer als die
deutschen, weisst du? (mit einer seiner beredten
gesten weist er irgendwohin.) mein bett, denke ich

die erkältung hat mich innerhalb eines halben ta-
ges von den füssen geholt. nach sechzehn stun-
den schlaf, einer heissen wanne, zwei tässchen
kaffee kreist in meinem kopf ein gedankenstrudel

die denken alle, ich bin blöd, weisst du? ich kann
das doch sehen. (mit seinem rechten zeigefinger
zieht er eine imaginäre linie zwischen seinen und
meinen augen, hin und zurück, damit ich verstehe.)

– schon, weil ich nicht aussehe wie ein deutscher
– wie, bitteschön, sieht denn ein deutscher aus?
– anders. anders als ich. jedenfalls nicht so wie du
– was’n glück! ehrlich gesagt, beruhigt mich das

zuhören. ausruhen. gleich noch ein wenig restsonne
geniessen. alle termine sind abgesagt, das handy
ist stummgeschaltet. in mir brennt der sommer nach