[ joyeux noël. fröhliche weihnachten ]

 

 

pourquoi je vis ici ? c’est parce que je pensais
n’avoir jamais vécu une vie normale avec des
expériences normales. je voulais donc vivre
une vie ordinaire comme un parmis d’autres

la première surprise a été de constater qu’il
semble normal que beaucoup de personnes
doivent vivre très en dessous des autres. et
c’est maintenant mon quotidien doux-amer

 
en france, on vit „comme un coq en pâte“ …

… c’est de la sueur sous les aisselles, de
la saleté sous les ongles, un comportement
uniformisé dans des rôles dépassés et du
respect uniquement contre rémunération

eh bien

la liberté, tant chantée, n’est qu’un compte
de fées. elle évite la pression omniprésente
et ne se baigne nulle part avec nous, la
populace, dans les caniveaux mazoutés

 
—–
 

warum ich hier lebe? weil ich glaubte, ein
normales leben mit normalen erfahrungen
nie gelebt zu haben. so wollte ich als einer
unter vielen ein gewöhnliches leben führen

die erste wirkliche überraschung war, dass
hier anscheinend sehr viele sehr tief unter
den anderen leben müssen. und dies ist
nun mein neuer, mein bittersüsser alltag

 
„leben wie gott in frankreich“, das heisst …

… schweiss unter den achseln, dreck unter
den nägeln, uniformisiertes verhalten in
tradierten sozialen und geschlechterrollen
und respekt gibt’s nur gegen bezahlung

tja

die fleissig besungene freiheit ist nur ein
ammenmärchen. sie meidet den überall
gegenwärtigen druck und badet nirgendwo
mit uns, dem pöbel, im verölten rinnstein

 

foto: joyeux noël
fröhliche weihnachten
gérardmer, 03. november 2022
 
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2 Responses to “[ joyeux noël. fröhliche weihnachten ]”

  1. peryton sagt:

    @ siggi

    das muss wirklich lange her sein. inzwischen scheinen die immer mal wieder lärmend auftretenden gewerkschaften frankreichs saisonale scheingefechte zum alleinigen zweck der selbsterhaltung auszufechten.

    nach meinem derzeitigen erleben wird in der französischen gesellschaft jeglicher widerstand gegen die herrschenden verhältnisse über stramme, uniforme verhaltenscodizi, ein beklagenswert beständiges rollenverhalten und einem schon brutal zu nennenden sozialen druck weggeregelt. „krankfeiern“ gilt nicht auf arbeit, wird als unsolidarisch gegenüber einer gemeinschaft empfunden, die sich alles andere als solidarisch verhält. „burnout“ und „depression“ haben quasi den sozialen stellenwert (und das stigma) von geisteskrankheit. über sowas wird eigentlich nicht geredet. schwäche gibt’s nicht. stärke zählt, die soziale rolle zählt, mit-dem-strom-schwimmen zählt.

    ich weiss nicht, ob das an einem geringeren bildungstand hier in der ländlichen provinz liegen kann oder allgemein verbreitet ist. ich fürchte aber, dass die von mir an den sprichwörtlichen haaren herbeigezogene „freiheit“ ein noch krasseres elitending ist als in deutschland.

    allerdings zweifle ich inzwischen stark an meiner wahrnehmung der verhältnisse in deutschland, weil ich selbst immer teil einer bildungselite gewesen bin und vielleicht nie verstanden und gesehen habe (sehen wollte), dass für weite teile der bevölkerung meine freien lebensentscheidungen ausserhalb ihrer wahlmöglichkeiten lagen. und liegen.

  2. Siggi sagt:

    Moin Schorsch. Ich glaube die Freiheit woanders gibts nur wenn alle genug zum Leben haben. Und gerade in Elsass-Lothringen ist es nicht leicht als Deutscher ohne Vorbehalte der Einheimischen zu leben. Ich kenne ein Gegenbeispiel eines guten Bekannten, der mit Seiner Frau im Westen Frankreichs gelebt und gearbeitet hatte und als er wegen der Kinder zurück nach Deutschland zu KSB kam vermisste er das „weniger Arbeiten und bessere Bezahlung“ in F. Das ist allerdings 30 Jahre her – irgendwie war das eine andere Welt.

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