[ sexuelle gewalt ist kein kavaliersdelikt ]

ich muss mich reinigen, sagt sie. und geht kotzen. weil sie
ein kind des zwangs geworden ist, der sie zutode kotzen
lässt. um nicht zu sterben, sagt sie. um wieder rein zu sein

das bist nicht du, sage ich. du musst endlich erzählen. end-
lich von deinem vater erzählen und von deiner mutter; den
fremden schmutz loswerden, indem du deine sprache findest

und dann bin ich unendlich müde. mein kopf schrillt und pfeift
und das kommt nicht vom klang des windes. draussen macht
der regen den ganzen sommer einsam. du musst reden, sag

ich


6 Responses to “[ sexuelle gewalt ist kein kavaliersdelikt ]”

  1. peryton sagt:

    peinlicherweise habe ich eben erst festgestellt, dass die textlinks nicht so funktionierten, wie vorgesehen. das ist nun korrigiert und ich bitte meine um dieses ‚vergnügen‘ geprellte leserInnenschaft hiermit um hochgnädigste verzeihung

  2. Thomas sagt:

    Interessantes Thema. Ich denke, dass jeder Mensch seinen Beitrag zur Einschränkung dieses Problems leisten kann. Zu meiner eigenen Schande war ich vor eingen Jahren in einem Freudenhaus. Dort habe ich ein 18-Jahrealtes rumänisches Mädchen kenengelernt. Eine Woche später war sie im Frauenhaus, weil sie nicht ficken wollte, sondern in einer Gaststätte bedienen.
    Hätte mich die rumänische Mafia damals erwischt, könnte ich diese Zeilen nicht schreiben.
    Zivilcourage.
    Thomas

  3. peryton sagt:

    postscriptum:

    wer „sexualisierte gewalt“ persönlich erlebt, erlebt in der regel gewalt in einem sexuellen handlungsrahmen – diese person versteht den begriff der „sexuellen gewalt“ somit als direkte erfahrung. die misshandelte person erfährt – emotional und körperlich – „sexuelle gewalt“, auch wenn das faktisch (theoretisch) nicht so sein mag

    wer sich theoretisch mit diesem thema befasst oder sich über das eigene erleben hinaus theoretisch damit auseinandersetzen kann, wird den gewalttätigen übergriff in andere/weitere zusammenhänge zu setzen und die übergriffssituation als „sexualisierte gewalt“ verstehen lernen; als eine situation, in der nicht das gemeinsame sexuelle erleben (geniessen) und das beiderseitige, gleichberechtigte ausleben sexueller wünsche im mittelpunkt steht, sondern das einseitige „benutzen“ einer („opfer“-) person im rahmen einer gewalthandlung durch eine andere („täter“-) person

    während ich das schreibe bin ich mir bewusst, dass jedes meiner worte als unrichtig und/ oder nicht ganz korrekt oder unzureichend verstanden und kritisiert werden kann; in der kürze werde ich diesem brennenden thema bestimmt nicht gerecht. aber darum geht es mir an dieser stelle nicht

    ich schreibe derartige texte „für“ betroffene personen, versuche ihre persönlichen situationen zu beschreiben und mühe mich, sie auch jenen verständlich zu machen, denen vergleichbare erlebnisse bislang unbekannt geblieben sind – oder die bislang noch nicht erfahren haben, dass das von mir beschriebene alltäglich stattfindet. meine texte schaffen ein gegenbild der „sauberen“ gesellschaft, das grosse teile dieser gesellschaft in ihrer opferrolle mit einschliesst – in der regel werden diese anteile verschwiegen

    es ist mir wichtig aufzuzeigen, dass das persönliche einen gesellschaftlichen, einen politischen hintergrund hat, der (auch) die „normale“ gewaltsituation des gesellschaftlichen alltags herstellt; immer wieder fordere ich auf die eine oder andere weise das „du musst reden“ ein – was nichts anderes heisst, als eine (gegen-) öffentlichkeit herzustellen für das ansonsten verschwiegene

    der begriff „kavaliersdelikt“ ist selbstverständlich (!) verharmlosend; ich habe ihn als solchen bewusst gewählt und suchte noch nach einem „drastischeren“. die verharmlosung ist ebenso normal wie die gewalt selbst – das drückt mein titel aus – und sie ist eine falle für den/die lesendeN, der/die sich unbedarft in meinen text hineinliest: plötzlich ist die gewalthandlung nichts mehr, was als „kavaliersdelikt“ abzuhandeln wäre oder als etwas unbekanntes, unpersönliches; nahezu unvermittelt hat das geschehen (im übertragenen sinne) einen bezug zum lesenden, eine geschichte, einen namen und ein gesicht

  4. peryton sagt:

    @ rehzi

    natürlich hast du recht. wer sich mit dem thema bereits (weitergehend) beschäftigt hat, macht sprachliche unterschiede und kritisiert. wer neu in das thema einsteigt, stolpert (noch) nicht über diese ungenauigkeit, hat aber – vermutlich – einen leichteren zugang. das überlegte ich mir, als ich entschied, den titel falsch aber verständlich zu schreiben

    auch das wort „kavaliersdelikt“ hat mir magenschmerzen verursacht; es ist einfach … beschissen. aber mir fiel einfach kein drastischeres beispiel ein für eine der hier üblichen verharmlosungen

  5. rehzi sagt:

    sexualisierte gewalt heißt das, weil es Gewalt ist und mit sex nichts zu tun hat, außer in seine form gepresst, also sexualisiert, zu sein.

    aloha

  6. m/b sagt:

    schwer ist das reden, wenn der brennende wunsch besteht, sich zu öffnen. aber doch niemand da ist, der dir zuhören mag. denn er/sie haben jeweils das ihnen eigene, andere Glück, Leid oder ’schicksal`.

    und irgentwann kommt auch der moment, der das leid der gewalt (seelisch oder körperlich, beides bedingt einander) – bewirkt duch die lebensimpulse der eigenen (gewesenen) eltern – überwindet.

    es ist nicht immer nur das vehemente erzählen der jeweils eigenen geschichte, welche karthasis verursachen kann…

    vielmehr die engagierte anteilnahme ist es, das zuhören, das mitleben, am fragen und am schrei der anderen ist es… der gemeinsame aufbruch, die eigene sprache(n) wiederzufinden.

    m/b

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