[ das trio, dem einer abhanden kam ]

April 14th, 2006


 

heute vor drei jahren. 14. april 2003. ein artikel in ‚wi bliev –
streik aktuell‘
berichtet über ein solikonzert für die ig-metall-
streikposten vor der ‚heidelberger druck ag‘ in kiel

kalt war es, windig, nieselregen fiel von überall, ein typisch
kieler aprilmorgen. 11 uhr. meine finger waren klamm und
nach meinem geschmack war ich zu früh aufgestanden. wir
standen auf der rampe eines lastwagens und sangen durch
ein schlechtes sprachmikrophon, weil mein mitgebrachtes
auf der miesen anlage nicht funktionierte. es muss grauen-
haft geklungen haben …
 

scan: ‚wi bliev – streik aktuell‘ (nr. 21)
14. april 2003


[ and the winner is … ]

April 13th, 2006


„ob sich die zahlen auf artmächtigkeit, abundanz, do-
minanz und soziabilität, oder auf licht, temperatur, kon-
tinentalität, feuchtigkeit, bodenreaktion und N bezie-
hen und die kleinbuchstaben auf konkurrenzfakto-
ren, konkurrenz verursachende pflanzeneigenschaf-
ten, oder interaktion zwischen konkurrenz beeinflus-
senden externen faktoren, hab ich noch nich so ganz
kapiert, aber ich will ja weder vegetationskunde, noch
landschaftsökologie studieren“

ja, in letzter minute kam sogar noch eine richtige fleissarbeit per
email herein. brav. braaaaaav. und vor allem: so richtig richtig

damit ist ein wichtiges kapitel meiner schwarzen vergangenheit
aufgedeckt: die des pflanzensoziologen. (wobei natürlich wieder
zu diskutieren wäre, ob eine gutachterliche tätigkeit in seltenen
und störanfälligen vegetationseinheiten mit veganer ethik zu ver-
einbaren ist. warten wir ein wenig ab und schauen dann in den
speziellen ‚veganen‘ foren, um die neusten verunglimpfungen zu
verfolgen. oder auch nicht: ich lese sowas beklopptes eh nicht)

aber ihr wollt wissen, wer gewonnen hat? na gut. der alte räpper
‚mc albino‘ war ja als ‚glücksengel‘ auserkoren und hat natürlich
mitgespielt. er hat sich den stoppelkopf glattgestrichen und in
pose gereckt und ein wichtiges gesicht gemacht und dann in
einen aschenbecher einer kieler szenekneipe gegriffen, in dem
die namen der sechs ‚richtigen‘ lagen. und dann hat er eines
herausgenommen und mir gegeben und ich habe es auseinan-
dergefaltet und … jetzt wollt ihr endlich den namen hören, nicht
wahr? gut

the winner is

(ein tusch: tataaaaaaaaaaaaaaaa!!!!!)

astrid aus kiel

dir, astrid, meinen herzlichen glückwunsch und den anderen
meinen freundlichsten dank für’s mitmachen


[ angeschaut werden ]

April 12th, 2006

als ich davongelaufen bin, fing es an zu regnen. eigentlich
hasse ich diese stadt. und jetzt frage ich mich: was, wenn
ich mich getäuscht habe? was, wenn ich mich getäuscht
habe? ja, mensch, was ist, wenn ich mich getäuscht habe?

.
.
.

dann bin ich mal wieder zum falschen zeitpunkt abgehaun


[ keine sippenhaft ]

April 10th, 2006

mit dieser post war nicht zu rechnen; doch riet ich bald, wer
sich dahinter barg. wobei das wort nicht trifft. es will der er-
ste, unbedachte blick sich immer täuschen lassen

mut ist ein charakterzug, den ich hoch schätze. ebenso wie
offenheit. wenn wir nachher miteinander sprechen, werden
wir beides in einen streit führen, den du nicht führen musst, ei-
gentlich weiss ich das. keine sippenhaft, sage ich mir und
merke, dass mir dies nicht leicht fällt, trotz der mahnenden
vernunft des älterwerdens

ohne frage: du hast ein recht auf antwort. meine antwort


übermütige sturmböen treiben regenwellen über den
asphalt und schnee klatschend gegen die scheiben: mein
schreibort an diesem sonntagmorgen. das lachen der an-
wesenden gäste klingt seltsam vertraut nach kinderge-
burtstag. abgetaucht, denke ich


[ abgetaucht ]

April 9th, 2006

ein tag zum verschwinden. den grüssen ausweichen, die
hinterher geworfen werden. eigentlich wisst ihr doch: ich
mag das nicht. punkt


[ cafészene ]

April 8th, 2006


 

ein wort vom nebentisch stösst die seiten an
und blättert weiter. seine hand zittert. in
meinen ohren rauscht der hafen. ich erzähle dir
stumm meine sehnsucht. lachen fällt herüber;
ich kann meinen blick nicht aufheben, von
innen nach aussen. seine hand zittert. eine
seite schlägt

um
 

foto: cafészene
marseille, 15. dezember 2005


[ klein und dunkel ]

April 7th, 2006

bevor der nächste schauer mich trifft, lehne ich das fahr-
rad gegen ein schaufenster, an dem ein schildchen mahnt
‚fahrräder nicht gegen das schaufenster lehnen‘, vis à vis
der eingangstür. beim öffnen schwappt ein wenig jazz auf
die strasse hinaus. gedämpftes licht. rauch, viel rauch. ein
kleines dunkles, tschechisch? der platz am tresen ist mir
nicht gewohnt. am anderen ende füllt eine frau vielver-
sprechend ihr gesicht mit weitem lächeln, während ihr
blick sich wieder in einem buch verankert: gut sieht das
aus. oder sie betrachtet das ende des zigarettenfilters
zwischen drei fingern ihrer rechten hand. aber was kann
sie dort finden, frage ich mich. vielleicht, ja vielleicht auch
darum finde ich keine ruhe; im kopf treiben meine tages-
geschäfte fort. ich stelle mich dem regen mit hochgezo-
genen schultern, fluchend


[ faites vos jeux! ]

April 6th, 2006

mich haben bislang vier einigermassen akzeptable lösungen
des peryton-rätsels erreicht. das heisst entweder, der preis
ist nicht attraktiv genug (also der aufwand, die lösung zu fin-
den, im verhältnis zum ertrag zu gross) oder es war doch zu
schwer. aber letzteres kann ich nicht wirklich glauben …

der rapper ‚mc albino‘ wird sich am 10. april 06 als ‚glücksfee‘
verkleiden und mit den unschuldigen händen des henkers den
einen namen ziehen … allerdings weiss der ‚mc‘ bislang noch
nichts von seiner schicksalshaften bestimmung

nun also. eure letzte chance: mesdames, messieurs, faites vos jeux!


[ canale grande ]

April 5th, 2006


 

unter den steinbögen kauern schattig schwarze
träume, die fäule gärt, frisst mauerfugen aus, quillt
stinkend in den grachten auf, dass die touristen
frische luft sich fächeln und der gondoliere unbe-
kümmert seine fürze über ein jauchzendes publi-
kum bläst, in die kameras lächelnd: das macht
zehntausend lire extra. diese stadt sinkt mir unter
den füssen wie meine hoffnung, irgendwo zu blei-
ben. keine brücke steht zwischen all den häusern
 

foto: canale grande
peryton-archiv. venedig, 1988


[ dokumentation: staat zum kotzen ]

April 4th, 2006

wie ich erfahren habe, findet am 26. april 2006, 9:40
uhr im amtsgericht garmisch
unter dem vorsitz von
scharfrichter klarmann ein verfahren wegen sogenannter
„verunglimpfung des staates und seiner symbole“
statt. mein tip: hingehen!

nicht-wörtliches zitat aus dem strafbefehl an theresa b.:

„Am 14.05. 2005 gegen 22:16 hielten Sie sich auf dem
Bahnhofsvorplatz in Mittenwald auf. Zu diesem Zeitpunkt
fand dort ein Konzert statt. Auf Grund von Beschwerden
mehrerer Anwohner wegen überlauter Musik sollte die
Musik durch anwesende Polizeibeamte zu diesem Zeit-
punkt beendet werden. Daraufhin skandierten Sie laut
und für alle Umstehende hörbar „BRD, Bullenstaat, wir
haben Dich zum Kotzen satt“

Auf diese Weise wollten Sie die Bundesrepublik Deutsch-
land beschimpfen und Ihre Missachtung dieser gegenüber
zum Ausdruck bringen

Sie werden daher beschuldigt, öffentlich die BRD beschimpft
und böswillig verächtlich gemacht zu haben, strafbar als
Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß
§90 a Abs. 1 Nr 1 StGB

Gegen Sie wird eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen
verhängt. Der Tagessatz wird auf 20 Euro festgesetzt. Die
Geldstrafe beträgt somit 800 Euro“
 

peryton meint dazu: es lohnt der mühe nicht, sich über
staatswichser zu erregen. lohnend wird hingegen sein, das
verfahren und die sich daran anschliessenden zu verfolgen:
braune geier legen braune eier

weitere infos zur mittenwald-kampagne bei nadir.org


[ nach dem regen ]

April 3rd, 2006

sonntagabend. kirchenglocken. leute streben
von allen seiten ihren gotteshäusern zu. die
späte sonne hat alle dächer angezündet, nur
so zum schein. schade, denke ich, halleluja
wie schade


[ der apfel fault nicht weit vom stamm. oder: der erste april, der innenminister und die ungelösten fragen ]

April 2nd, 2006

der scharfe geruch, dessen ursache ich ergründe, kommt
aus der küche, gleichsam unangenehm wie die musik ei-
nes kultursenders: meine kaffeetasse steht vergessen auf
dem heissen ofen, an ihrem grund ein verkohlter rest ge-
zuckerter sojamilch. ja, es gibt morgende, die beginnen
genau so: april, april

ich war aus der küche geflohen, als im radio der innen-
minister zitiert wurde, der schäuble, der mit dem schuss
durch den rücken, der deshalb nicht mehr bundeskanzler
werden konnte, obwohl das eines seiner ziele war, da-
mals, vor dem attentat, aber in deutschland kriegt kein
krüppel einen solchen job, eigentlich, erst heute, wo so-
gar eine frau … also heute ist er propagandaminister, der
wolferl

was er damals im heimlichen betrieb oder besser, re-
lativ unbeobachtet, weil auch kein linker genauer hin-
schauen wollte, was er da trieb, denn was hätten sie
tun wollen, was tun können, was dagegen sagen, die
selber angstvoll gen süden starrenden, die reichen er-
ben, die hofften, dass irgendeiner – ein anderer – eine
lösung finden würde gegen die andrängenden schwar-
zen massen, gegen das problem der kulturellen über-
fremdung, die gefahr, das bequeme teilen zu müssen

… da schnitzte der schäuble also in heimlicher eintracht
mit allen an den aussengrenzen der europäischen frei-
heit am sogenannten ’schengener abkommen‘ und heute
kann er in aller öffentlichkeit seinen wahn ausleben, weil
sein wahn offener konsens geworden ist, ja, da darf so-
gar ein solcher krüppel reden, eine arme sau in den au-
gen der meisten, ein hochgucker, aber auch ein held, wenn
wir es genau betrachten wollen, in erfüllung seiner patrio-
tischen pflicht abgeschossen, ins kreuz geballert, und al-
so darf er heute reden, in seiner neuen funktion als innen-
minister, reden, wie wir es gewohnt sind von allen innen-
ministern der vergangenen jahrzehnte: offene worte, ge-
radeheraus, ohne anstandstüchlein vorm schneidigen
mund, mit hackenzusammenknallen und den braunrot-
gelben lappen aufziehend, jedesmal, gegen linksmoti-
vierte gewalttäter bei demonstrationen, gegen arabische
terroristen und also jetzt gegen angeblich gewalttätige
schülerInnen
: gewalttätige jugendliche spiegelten nur
eine gesellschaft wider, die es zunehmend versäume, kla-
re grenzen zu ziehen und die wichtige normen nicht ent-
schieden vorlebe und durchsetze – oder so ähnlich

um die fakten präzise zu umreissen, hätte er für meinen
geschmack nicht so viele worte benötigt: eine gewalttätige
jugend spiegelt die gesellschaft wieder, in der sie aufge-
wachsen ist. oder noch kürzer: der apfel fällt nicht weit
vom faulen stamm

aber zum glück sind die lösungen so einfach wie werte-
konform: polizisten gegen kinder einzusetzen ist in
deutschland ebenso legitim wie eine ausgangssperre
gegen kinder in frankreich. und die schuldfrage ist damit
ebenso geklärt wie die frage nach den lösungen: eine
gewalttätige jugend spiegelt eine gesellschaft wieder, in
der die grenzen der gewalt nicht recht gezogen wurden

was ich nun noch nicht recht verstanden habe – neben ihrer
position zu unter folter erpressten geständnissen, oder
was sie mit ‚die eine oder andere anpassung des rechts-
staats‘
meinen, oder mit einem satz wie ‚die rechts-
staatlichen grundsätze schliessen ja nicht aus, dass man
bestimmte freiheitsrechte einschränken kann‘
… ehrlich
gesagt überfällt mich da ein gruseln, das in die geschichte
weist – was ich also noch nicht recht verstanden habe, herr
goebbels: welche normen meinten sie eigentlich?


[ across the line ]

April 1st, 2006


 

dünenwegen folgend sinkt der fuss tief, gräser
liegen da, längs, vom wind bewegt, bevor die
böe eine stille bricht, atem nimmt, schneidend
im sommerlicht, ein letzter abstieg und dann
ist eine wüste erreicht, salzharter grund, grau
endlos, da hinten liegt das meer sagst du, un-
sichtbar, das ufer ist geflohen unserm blick. der
wind schmeckt nach traurigen wassern
 

_
 

und wir werden einen klebrigen talg zwischen
fingern reiben, einsam, weil der wind die worte
einsam macht, werden hinauslaufen, weit, un-
sicher, wann der rand erreicht ist, wann sind
die grenzen überschritten, wann ist der weg zu-
rück vergessen, wir werden umkehren, aneinan-
der geklammert, die herzen verschwiegen. wie
auf einem foto steht dein schemen in meiner
erinnerung
 

_
 

(across)
wie muss es gewesen
(the border)
sein im winter?
(line)
 

foto: peryton-archiv. amrum, 1984


[ unscharf III ]

März 30th, 2006


 

aber wer behauptet denn, ich sei zynisch? nein, halte ich
dagegen, in meinen betrachtungen vielleicht unscharf, das
eine
oder auch das andere mal. ja. ja sicher. wer könnte ob-
jektiv bleiben und ungerührt angesichts so vieler schatten?
kein mensch mit herz. was zynisch genannt wird, heisse ich
notwendige distanz. sonst müsste ich schiessen, bomben le-
gen, brücken sprengen; aber mein weg ist, wie du weisst, ein
anderer. der lässt die brücken stehn und herzen schlagen
 

foto: unscharf (III)
köln, 25. november 2005


[ kopfschütteln. ein kommentar ]

März 29th, 2006

vorweg eine warnung an die durchschnittlichen weblogleser-
Innen: der nachfolgende artikel ist wortreich und weitschwei-
end, behandelt in rasanter folge unterschiedliche themengebie-
te und ist, kurz gesagt, für ungeübte viel zu lang. ich entschul-
dige mich hiermit bei ihnen und verspreche demütig, morgen
wieder das gewohnte in leicht verdaulicher qualität zu liefern


„einige antispeziesistische schwarzkapuzis schütteln
den kopf über deine „ekelhafte geschichte einer ver-
gewaltigung“ (…) sie verstehen deine sprache nicht“

(kommentar zu den artikeln ‚das orakel‘ und ‚feuerkopf. eine
beschimpfung‘
)

ich danke für die hinweise zum unverständnis derer, die da
nicht verstehen. nicht allzu beruhigend finde ich, dass ich in
meiner steten verwunderung bestärkt bin. das schütteln des
kopfes scheint als ausfüllende tätigkeit für denselben begrif-
fen zu werden. immerhin: ich hatte bislang vermutet, die
befriedigendste aufgabe für jene köpfe sei das mehr oder
minder dekorative ausfüllen schwarzer kapuzen

ich werde also nicht verstanden. obwohl wir doch eine ge-
meinsame sprache sprechen. das ist, wie ich finde, sehr
bedauerlich. es tragisch zu nennen, wäre in der beurteilung
sicher in wenig hoch gegriffen. aber hängt das verständnis
von sprache nicht im wesentlichen mit dem unbeschränkten
gebrauch derselben zusammen? (auch wenn sie aus der
mode gekommen sind, wage ich begriffe wie ‚übung‘ und
‚freies spiel‘ anmerkend einzuwerfen)

mit der zunehmenden verfügbarkeit von mobilen telefonappa-
raten – auch in gewöhnlichen bevölkerungskreisen – wurde
die anzahl öffentlicher telefonzellen vermindert. was mit einer
derart starken abnahme der präsenz von telefonbüchern ein-
herging, dass sie inzwischen zu den begehrtesten sammel-
objekten in buchantiquariaten zählen. ja, wirklich

was ich damit sagen will? dass den meisten damit das letzte
stück lesestoff ausgegangen ist

eine verschwörung, vermuten wir vage aber zurecht, des sys-
tems, da uns, den verständlicherweise miserabel schulgebil-
deten kindern dieses systems, nicht viel mehr bleibt als vage
vermutung. aus dieser unwissenheit, unserem archaischen
wunsch nach einer überschaubarkeit unseres lebensraums
und dem heimlichen wunsch nach dem glück bürgerlicher be-
scheidung hat sich das denken zunehmend beschränkt auf
kurze formeln, das fordern beschränkt auf die parole, die in
ihrer sprachlichen verengung auf die halbe breite einer aldi-
tüte passt oder auf einen farbigen ansteckbutton. in schwarz-
rot. oder schwarz-grün. oder schwarz-pink. oder schwarz-
lila … ich will hier keine momentane vorliebe unbeachtet las-
sen, um mich nicht dem vorwurf der sexistischen, rassisti-
schen oder sonstwo gelagerten missachtung auszusetzen

denn wenn schon alle inhalte fehlen, ist doch die ‚politische
korrektheit‘ ein wert in der werteentblössten gesellschaft. o-
der soll ich erweiternd sagen ‚parallelgesellschaft’…? aber
wenn ich das tue, mache ich ein neues diskussionsfeld auf
und ich habe doch schon viel zu viel gesagt, nach dem ge-
schmack der buttonträgerInnen, der aldi-tüten-leserInnen
und sowieso dem gros der weblog-konsumentInnen: ich re-
de zuviel. und alles nur, weil ich die worte liebe

autsch. das war gemein. geradezu bösartig. ich erkenne mei-
ne schuld an, ziehe räumütig die schwarze kapuze ab oder
tiefer in die stirn und flehe hiermit bei den wenigen um verge-
bung, die ich ungerechtfertigterweise beleidigt haben könnte
… und fordere sogleich ‚freiheit in den kopf‘ – denn dort, wo
an ihr mangelt, ist sie zu fordern – wissend, damit viele vor
das gleiche ding zu stossen, die zuallererst ‚freiheit für die tie-
re‘ fordern, rufen, schreien – unter kapuzen

muss ich abschliessend erwähnen, dass dieser kommentar
in der sparte ’satire‘ abzuheften ist? und ist es noch notwen-
dig ausführen, warum meine artikel nicht verschiedenen ‚cate-
gories‘ zugeordnet werden, obwohl das in weblogs allgemein
üblich ist? bitte – bitte !!! – antwortet jetzt mit einem kraftvollen
’nein‘. dann wäre ein erstes annähern erreicht und die gemein-
same sprache hätte wieder einen sinn


[ 27. märz 2006 ]

März 28th, 2006

sie ist älter geworden und es steht ihr gut. dir auch
sagt sie; weil sie das leichthin antwortet, finde ich
mich bestätigt

sie glaubt, in den ruinen einen tunnel unter dem
fluss entdeckt zu haben. lass uns hinübergehen
sagt sie. ihre hand weist nach osten, zum anderen
ufer. in der mediterranen mittagssonne flirrt die luft
über dem staubgrauen tal. es ist ein grossartiger
anblick, der tief einatmen lässt. die freiheit liegt vor
uns, aufgebrochen sind die grenzen und es ist eine
ungekannte leichtigkeit in ihrem blick. zum ersten
mal vertraue ich ihr ohne zweifel

gleich; gleich fall ich in ihre augen, denke ich und
wache auf

[ feuerkopf. eine beschimpfung ]

März 27th, 2006

– guten morgen! sozialer wohnungsbau macht flexibel –
 

ab heute ist wieder die zeit verdreht. die wahlbeteiligung
ist niedrig, sagt das dunkelhaarige frollein im radio, ich
gähne. das liegt nicht nur daran, dass die wahllokale nur
über müllbarrieren zu erreichen sind. hier ist doch alles in
ordnung, meinte ein freund letzthin, bei uns in frankreich
wären die haufen längst angezündet, scheissegal, ob das
haus daneben gleich mit abfackelt: bof! und er lachte

dass die erfinder der demokratie wahlen verordneten, um
revolutionsgewitter im reagenzglas zu halten, ist eine alte
erkenntnis, über die zu philosophieren nicht lohnt. nicht heu-
te. aber dass nahezu keine reaktion auf meine ekelhafte
geschichte einer vergewaltigung
kommt, kein wort des
widerspruchs, keinerlei kritische nachfrage … das fasse ich
nicht. wollt ihr’s ausführlicher, blutiger, lauter, damit es
direkt ins auge fällt, tiefer schneidet, besser schmerzt? wollt
ihr’s mit vater und tochter, mutter und sohn, bruder und
schwester? ich fasse es nicht. die gegenwart von brutalität
scheint so gewohnt, wie die abwesenheit von freiheit in
eurer demokratie. und ebenso gewohnt wie das schweigen
darüber. ruhe ist die erste bürgerpflicht

ich färbe mir die haare rot, proste dem spiegelbild mit einer
tasse kaffee zu, fluche ’sommerzeit‘ aus dem fenster. unge-
rührt wäscht der frühlingstag meine spucke durch den rinn-
stein fort
 

foto: darmstadt, 18. februar 2006


[ fest.gehalten ]

März 26th, 2006


 

fest vertäut liegt treibgut am hafen. eis-
krusten liegen schuppig auf der wasserhaut
zerbrechen leise, aneinander reibend. die
töne sind eingefroren, nur kinderstimmen
sind erlaubt (die hüpfen oben an der kai-
mauer vorbei) und einsame möwen, weiter
draussen auf pfählen vergangener jahr-
hunderte sitzend. die schiffe rosten un-
bewegt ihrem vergessen zu, nicht einmal
an den tauen zerren sie; dass sie nicht
los kommen, wissen sie. über der roten
mauer liegt die stadt im koma

fest.gehalten

die zeit ist eingefroren, die möwen sind
hingemalt und das eis unter der tiefen
sonne glitzert seinem tod entgegen
 

foto: fest.gehalten
tangermünde, 27. februar 2006


[ … mit behinderungen ist zu rechnen … ]

März 25th, 2006


 

ich muss ein wenig umbauen auf der hauptseite. im blog. und
wenn alle mp3s endlich rausgeflogen sind, werden ’nur noch‘
audio-dateien im format ‚ogg‘ zum download angeboten (was
euch die bessere qualität sichert und mir keine probleme mit
nutzungsrechten bringt). bis es soweit ist, werde ich vermutlich
hier und da und dort die falschen dateien gelöscht, die falschen
links angegeben haben und sowieso wird – für die meckerer un-
ter euch – nichts mehr so schön und gut sein wie vorher. so ist
es nämlich immer. ihr kennt diese unerbittlichen kommentare
ja …

nehmt’s mit fassung, ich mache es schliesslich nur für euch (was
natürlich ohne die leiseste schamesröte herausgelogen ist, a-
ber immer wieder nett klingt)

also: im bereich der peryton-baustelle ist in den nächsten tagen
mit leichten behinderungen zu rechnen …

(und wenn ich alles geschafft hab, antworte ich auch wieder auf
die liegengebliebene post. ehrlich!)
 

foto: baustellen-seite der ersten peryton-homepage
peryton-archiv. 25. februar 2003


[ bertoldsbrunnen ]

März 24th, 2006

schnell festgehalten sind der morgen, die auffahrt zur auto-
bahn, der hochgewirbelte stein, mit dumpfem schlag auftref-
fend, die zersplitterte frontscheibe, der den augenblick ver-
wirrende schreck, die mit dem zug fortgesetzte fahrt – bis hier
reichen kurze worte

nachmittags am bertoldsbrunnen. ich warte auf die strassen-
bahn. bunt und barfuss sein, heisst angestarrt werden wie ein
weltenwunder des absurden. ich lasse alle blicke im nebel des
vorübergehenden. da vorne eine tänzelnde bewegung, turn-
schuhschritte, verwaschene jeans, eine jacke, über der schul-
ter eine tasche, aus der verhüllte gegenstände ragen, ein von
der bauchigen mütze wursthaariger gehaltener hinterschopf
… und dann ist sie nach rechts meinem blickfeld entglitten

in der bahn stellt sie sich mir gegenüber auf, schaut mich ge-
radewegs an. ich kann ihrem blick nicht standhalten. starre
an ihr vorbei, starre irgendwohin, beobachte sie doch. ihr
helles, bald bleich zu nennendes gesicht, feine, fast unsicht-
bare augenbrauen und diese nase, diese lange, erfahrene na-
se, die mich anzieht. natürlich nicht. natürlich betrachte ich
meine füsse, meine jackenknöpfe, meine umgebung, schaue
auf die vorbeiziehende strasse – und da ist mein ziel erreicht

ich steige aus, sie fährt weiter, irgendwie bin ich erleichtert

erleichtert?

ich bin mir nicht sicher

ich bin mir gar nicht mehr so sicher

vielleicht. vielleicht fühle ich mich wirklich erleichtert