[ das orakel ]

März 21st, 2006

mit dem flügelschlag der taube drang das geräusch des regens
in meinen traum, weckte mich mit den tränen des allhöchsten
himmels, traurig weiterträumend den alb vom orakel

sie war eine zerknitterte alte frau, damals schon, obwohl in der
sogenannten blüte ihrer jahre stehend, verlassen von allen gu-
ten geistern, wie man sagt, aber wohl geborgen lebend im kreise
einer gemeinschaft, nicht ganz so züchtig, wie es sittsam gewe-
sen wäre, aber es war eben eine wilde zeit, damals, die bis in die
hintersten winkel bayerns hineinwirkte. dazu lebte sie tief einge-
bettet in die traditionen dieses landes, in dem der aberglaube
ebenso fest verankert ist, wie der glaube an die oberste gottheit
in einer ewigen volksseele, die bis heute zur hymne an den kaiser
marschiert, mit dem starken rechten bein den takt tretend. eines
tages drehte sie durch, wenn man so sagen kann: sie hörte die
stimme ihres herrn. ja, so war es wirklich. ganz nah war er zu ihr
getreten, angerufen hatte er sie und dann hatte er sie genomm-
en, war er in sie gekommen wie einst in die jungfrau maria und
sie spürte seine säfte fliessen, durch ihre heilige scham, durch
ihre lippen fliessen, in sie hinein, oh mein gott, sagte sie, aber
nein, das durfte sie nicht, das wollte sie nicht, doch war es ihr
gott, der von ihr besitz genommen hatte und dann machte er sie
stumm, dann sprach er aus ihr heraus, unaufhaltsam, machte sie
zum sprudelnden quell heiliger worte und weil sie ein armes weib
gewesen, gottesfürchtig, schuldbeladen, glaubte sie an das, was
ihr da widerfahren war

ihre kommunarden, die in jener zeit allerdings nicht die revolution
der welt zum ziel, sondern im gegenteil die ausbeutung derselben
im sinn hatten, erkannten schnell die wunderlichen ergüsse ihrer
kumpanin als gewinnverheissende geschäftsgrundlage und be-
gannen die mine auszubeuten, die so unverhofft in ihren besitz
gekommen war. sie bauten ein imperium um ‚das orakel‘ – so
wurde sie bald genannt – und die menschen strömten heran, folg-
ten wie einst hänsel und gretel der durchgeknallten alten in den
wald, denn je dümmer das gemüt, desto mehr liebt es das okkulte

die jahre vergingen. die am leim des versprechens hängenge-
bliebenen zehrten sich aus in blinder hoffnung auf ein ewiges
leben, das doch immer in der ferne liegen sollte, das orakel-im-
perium wuchs und wuchs, doch die alte wurde zunehmend ge-
brechlich. ihre gesalbten reden, die sie in psychotischen schüben
der trance von sich liess, wurden auf tonbänder aufgenommen
und füllten lange regale, sie wurden ausgestreut in die welt via
telefon, via kurzwellenradio oder durch das inzwischen modern
gewordene netz der computer, aber das ende nahte drohend. im-
mer öfter mussten die zittrigen lippen gottes in eine klinik gebracht
werden, wo sie stieren blicks den studenten vorgeführt wurde: und
hier sehen sie das bekannte orakel oder besser das, was von ihm
übrig blieb …

oh nein, das war nicht schön. das imperium wankte. die suche
nach einer nachfolgerin aus dem engsten kreis der sie umge-
benden scheiterte; das charisma des originals, ihre inbrunst im
wahn, ihre schönheit unterm würgegriff des gottes erreichte keine

bis sie endgültig zusammenbrach, eines tages, und ich an ihrem
bett stand, eingeschlichen, in der heimlichen dunkelheit einer ver-
borgenen krankenstation, als ich ihre hand hielt, verbotenerweise
die vertrocknete hand einer ausgezehrten, ausgemolkenen, einer
verstummten, verblödeten, ihren welten gänzlich entrückten, ein-
gesunken in weisse laken, als ich ihr sagte, dass sie nun loslas-
sen und gehen könne ohne schuld, da machte sie einen tonlosen
seufzer, zog ihre hand aus der meinen und erhob sich leicht, fe-
derleicht, ja, sie flatterte davon als eine dirndltragende taube. ein
wunder, sagten die leute später

was für ein scheiss, sagte ich und wachte auf. vom fensterbrett
stürzte sich eine taube gurrend in die tiefe, während der regen
mit deprimierender gleichförmigkeit herabströmte

ja

und nun wischt eure tränen fort. das war ein hässlicher traum. ein
traum, hört ihr?

soviel brutalität, besessenheit, berechnung wie auch dummheit
kann diese erde nicht bevölkern, dass ähnliches sich in wirklich-
keit ereignen könnte, nicht heute, nicht in den phantasielosesten
ghettozeiten deutscher fussballkultur, nicht im götterbrünstigen
vatikan, nicht einmal im blauweissen lodenglück bayerns. es gibt
keine ähnlichkeit mit lebenden oder gestorbenen menschen in
meinem traum. nein, keine ähnlichkeiten. das letzte orakel, von
dem die legenden erzählen, erstickte in delphi, lang her ist’s und
ebenso sicher gelogen, am giftigen rauch aufgebrannter sklaven-
häute. oder an einem schlechten, viel zu dicken joint. und das ist
gut so


[ frühlingsanfang ]

März 20th, 2006


 

und mit einem mal bricht alles auf

es knirscht brünstig in den knospen
es setzt sich schleifchen auf, krönt
sich mit papier, hochgewirbelt aus
dem müll der strassen, es neigt sich
den tauben zu, die in eile sind und
den blinden, die zögernd verweilen
 

foto: am place jean jaures
marseille, 22. dezember 2005

[ heute hier ]

März 18th, 2006

katzenwäsche, zähneputzen, endlich ins bett fallen können. andere
schütteln jetzt resigniert ihre wecker und stehen auf. in meinem
kopf dröhnt das rollen der räder nach. gräue vor dem fenster. der
wechsel von der nacht zum tag ist mir jedesmal ein besonderes
erlebnis. sogar auf der autobahn. sogar dann, wenn die kilometer
zur qual werden, weil die augen zufallen. wenn das letzte bild ste-
hen bleibt, der film anhält, eine stille daraus fliesst, die vorher
fehlte. und solange ich das merke, werde ich ankommen. heute
hier, übermorgen dort. dazwischen steht das erinnern, heraus-
wachsend aus lichter werdendem grau, wie ein neuer morgen


[ mangomorgen ]

März 17th, 2006

das morgenlicht liegt grau über der eisschicht auf dem fenster
der dachschräge. mit lautem geräusch schaltet sich mein telefon
aus, akku leer. und ich bin wach, schaue auf rote wände. mango-
morgen

je länger wir um den frühstückstisch herumsassen, desto mehr
wurden wir. du warst nicht erschienen. du warst kein gesprächs-
thema. du warst nicht einmal eingeladen. als es an der tür kling-
elte, war es der unfreundliche hausverwalter, der den block-
wart gab, auf kontrollgang: zack zack! … ach ja: wo ich auch
hinkomme, ist deutschland schon da

ob ich den mut habe, dir zu schreiben, wie sehr du mir fehlst?

ich habe nicht


[ kopfarchiv III ]

März 16th, 2006


 

weil uns die träume sterben wollen mit den jubiläen
war dieser schmerz vergebens. es ist uns leichter
wenn die zeit des welkens unbemerkt verweht
 

foto: irgendwo in oberschwaben, ca. 1984


[ kopfarchiv II ]

März 15th, 2006

ein zweites foto blättert auf in meinem kopfarchiv: das
stille haus am waldrand, das eines tages unter einer
last von schnee zerbrochen war. als ich es sah, zerbarst
in mir ein traum. so gross die worte heute klingen, war
mein schmerz. und dumm war er gewesen, weil uns die
träume sterben müssen mit den jubiläen


[ kopfarchiv ]

März 14th, 2006


 

die grelle sonne trügt den ersten blick, die satten töne
auch. es muss gewesen sein im sommer dieses jahres
wohl anfang juli 1986, am vortag waren wir von norden
angereist, erinnere ich mich

der zweite blick lässt tiefer schaun, er gibt dem laub die
farben des erkennens wieder: dass diesem warten alle
freiheit fern ist. die augen schauen ernst, hinter den
dunklen gläsern. in jener zeit erklangen meine lieder
sehnsuchtsschwer vom abschied; aber der blieb aus

es reichte mir der mut nicht, über viele jahre
 

foto: meersburg/bodensee, 1986
aufnahme: i. freund


[ am ende ein meer ]

März 13th, 2006

du malst ein meer
ohne antwort ist die frage schwer
am ende meiner gedanken

die frage ist schwer ohne antwort du malst ein
meer die frage ist schwer am ende ein meer
ein wal wird geboren im zitronenmeer

die frage ist schwer ohne antwort malst du am ende
meiner gedanken wird ein wal geboren die frage
schwer die antwort am ende

die frage ist schwer ohne antwort am ende meiner
gedanken malst du ein zitronenwal wird geboren die
frage und die antwort am ende der gedanken

am ende ein meer du
malst in meinen
gedanken

[ dem peryton sein cadillac ]

März 12th, 2006

– so eine kacke! erwischt!!! –
 

glaubt mir, ich war wirklich nur für ein paar minuten in
der geruhsamen stille dieses hotels abgestiegen, um
mich standesgemäss vom trubel des show-bizz zu er-
holen – ihr wisst ja nicht, wie anstrengend das ist. an-
dauernd dieses grelle scheinwerferlicht. das verdirbt
dir total den teint – also nur mal eben in die sauna und
dann ein bisschen an der bar abgehangen, das übliche
halt … und schon hab ich wieder was falsch gemacht:
falsch geparkt!

dabei hab ich doch diesem blondschopf, der wo ständig
so blöde lacht, als ob er allen seine neusten implantate
zeigen wollte, dem dings, dem dieter b., ein scheinchen
in die hand gedrückt, damit er meine karre in die tief-
garage fährt … kann er doch mal machen, oder? alle-
mal besser, als dass der sich an seine heimorgel setzt
und deutsch kultur schafft

dennoch … warum machen sich so viele menschen
lustig über diesen armen kerl?

gestern hab ich einen soldaten durch die stadt lau-
fen sehen, unübersehbar leuchtete oben drauf die
rote mütze – hat da irgendwer gelacht? oder als tor-
nados über rügen flogen, um tote enten auszuspä-
hen – wer hat gelacht? der ‚erfolgreiche‘ einsatz von
‚abc‘-einheiten
zur abwehr einer unter fleissiger mit-
täterschaft aller medien zur menschheitskatastro-
phe aufgeblasenen lappalie als teil der strategie, die
bundeswehr in die zivilgesellschaft zu integrieren

– hat ein mensch hörbar widerstand gefordert gegen
solchen wahnsinn? den generalstreik endlich gegen
hartz IV – die neue moral der zwangsarbeitsgesell-
schaft? gegen die kommende mehrwertssteuerer-
höhung? gegen kontrollwahn und neue-alte ’sicher-
heitsgesetze‘
? gegen eine renaissance der atom-
kraft
? gegen die wiedergeburt eines deutsch-patri-
otischen kampfgeistes
? gegen die geplante einfüh-
rung von englisch-unterricht in kindergärten …?
(ich könnte seitenlang so weitermachen)

aber über einen bohlen lachen sie, der sich nicht
wehren kann, weil er so blöde ist, wie alle andern
 

und weiter? nichts weiter. am entgegengesetzten ende
dieser moralisch mit vogelgrippe durchseuchten re-
publik werde ich in wenigen augenblicken den deckel
des schleppcomputers zuklappen, den gitarrenkoffer
schliessen, zwei stockwerke tiefer werde ich mich
hinter ein lenkrad klemmen und beim drehen des
zündschlüssels flüstern: hey, cadillac, komm endlich
in die hufe, unser weg ist weit
 

scan: dem peryton sein cadillac


[ peryton-quiz ]

März 11th, 2006


 

ein jahr ist seit dem ersten peryton- quiz vergangen, höchste
zeit, einen zweiten wettlauf zu starten

wer sagen kann, was da abgebildet ist, kriegt … ja, klar! was
sollte es anderes geben, als ein exemplar der peryton-cd
‚gestern war es‘
. und noch besser: es gibt sogar deren
zwei … eine zum weiterschenken an den/die allerliebste/n

um unter die glücklichen zu kommen, von denen ein/eine
gewinnerIn per los gezogen wird, muss nicht exakt getroffen
werden, worum es in dieser notiz (als solche ist das bild
doch sicher für alle zu erkennen?) geht. es reicht schon
eine deutung, die das notierte oder auch den zweck dieser
notiz sinnvoll beschreibt (sowas originelles wie ‚da steht
was‘ gilt verständlicherweise nicht)

das bild lässt sich – wie alle bilder in diesem weblog! – durch
anklicken vergrössern. vielleicht hilft das ja weiter …

das ist der weg zum glück: schickt bis zum 09. april 2006
eine email an info@peryton.de
oder benutzt das peryton-
kontaktformular
(und … auch klar: die absende-adresse
nicht vergessen!)

viel spass beim knobeln und recherchieren!
 

aber hör doch mal, t.: diesmal kannst du die lösung nicht
in meinem bücherregal finden – so ein patzer passiert mir
kein zweites mal. was nicht heissen soll, dass ich dir den
gewinn des ersten quiz nicht gegönnt hätte … unser
gemeinsamer theaterbesuch war doch grandios, oder?


[ in der stille des winters ]

März 10th, 2006


 

erzähle ich zu viel von dir?

es ist mein plapperndes herz
das ein echo sucht in der stille
des winters

schau: würdest du mit mir reden
müsste ich dich nicht erfinden
 

foto: salzauer mühle (1995)


[ engel im schnee ]

März 9th, 2006

ich war nicht darauf vorbereitet, an diesem ort viele briefe
von dir zu finden; die suche nach dem foto einer freundin
wuchs sich zu einer ungeplanten lesereise aus. wie alle
abhängigen wirft mich der anprall meiner droge in die
seelengosse: ich stolpere eine dekade in der zeit zurück

unterhalb der sterbenden eiche kletterst du also die steile
böschung zum eisbedeckten mühlenteich hinab, schwingst
auf dem rücken liegend, mit den armen auf und ab, malst
deinen engel in den schnee dieses kalt-sonnigen morgens

wir kannten uns kaum°. in deinen briefen sahst du anders
aus, in den meinen war ich reif genug
 

(° – ogg; 2,6mb)


[ hervorgekramt ]

März 8th, 2006


 

siehst du: dort war das. ich sagte doch, dass ich
irgendwo noch ein foto haben muss. dass du das
vergessen konntest … aber erinnerst du dich nun?

eure erste begegnung, julia und du, als ich sie
eben dem schlachter abgehandelt hatte. (allerdings
gebe ich zu, dass ich einen warmen spätsommer
in der erinnerung hatte, keinen halbgaren frühling)
 

foto: brüggerholz, frühjahr 1993


[ rollenspiele ]

März 7th, 2006

okeeeeh. lang herausgedehnt schwingt meine einwilligung
in einen sprechgesang, der in der leitung nachhallt, irgend-
wie. elf uhr schon? verdammt früh … war anfangs nicht von
mittag die rede? na gut. na guuuuut. erneut bin ich ins
singen gefallen, du schnaubst zufrieden in mein linkes ohr

die zeit wird reichen, denke ich, rasiert zu sein und fahre
prüfend mit der hand über meine abendstoppeln. mit ver-
eisten strassen ist nicht mehr zu rechnen, ich werde also
pünktlich sein, rasiert vielleicht, ausgeschlafen, ausge-
bügelt meine morgenfalten, so werde ich vor dem eingang
der schule vorfahren, du wirst dort warten, ich werde dir
von innen die zerbeulte seitentür aufstossen, während die
umstehenden erstarrt sind und glotzen, ich werde den
reiferen mann geben, einen unbekannten in mittleren jah-
ren, einen überlebenden hippie vielleicht, über den du
schweigst. ist der nicht ein bisschen alt für …? meint ihr …?
ich werde dir zu einer flucht verhelfen, einem ausflug in die
freiheit, eine mittagspause lang, damit du zurückkommen
kannst, später, beharrlich schweigend, weil das stärker
macht als das normale je

okeeeeeh, singe ich, in den gedanken den telefonhörer
auflegend, weil für den augenblick doch alles gesagt ist


[ unhörbar spielt musik ]

März 6th, 2006

im badezimmer nebenan hustet n., rumpelt, röchelt, klappert
im flur, verabschiedet sich durch den türspalt flüsternd, um
mich doch nicht zu stören, sieht meine hand nicht mehr, die
ihr winkt, später, als die wohnungstür ins schloss klappt, zu
spät also, hervorgewühlt unter decken, zum takt der musik
winkend, die in meinem kopf spielt

unhörbar singe ich mehrstimmig die eignen melodien. 8:58
uhr. zeit für ein frühstück. laut schnüffelnd schlurft a. durch
den flur in richtung bad. ich schreibe über dich, sage ich, als
er, wie es vereinbart war, pünktlich eintritt, um mich sanft
zu wecken – und dabei lärmend über eine katze fällt

unhörbar spielt in mir musik


[ winterlähme. frühlingsbläue ]

März 4th, 2006

es lässt sich mir nicht greifen. worte
fallen sich in einem fremden kopf ins
wort, farben ohne ton, ohne einen
grund, ohne räue, eine welle steht am
ufer, wind hält atem an, ein silberfisch
ist eben abgetaucht, der apfel wird im
winter nicht geborgen. leer sinkt eine
hand ins leere
 

dennoch im studio gewesen, morgen erneut. ohne
feste wahl spielte ich die neuen stücke an, bis wir
uns für ‚und eine frühlingsbläue‘ entschieden: für
einen moment aufgetau(ch)t. aber ja doch. irgend-
wie geht es immer weiter


[ da capo: ’non maman‘ ]

März 2nd, 2006

keine sorge: auch wenn es sich zu häufen scheint, werde ich
nicht in zukunft auf jeden kommentar verweisen (das geht eh
nicht, denn beleidigende werden unmittelbar gelöscht); aber
einige greifen aktuelle diskussionen auf und sind daher
– meiner hier einzig massgeblichen meinung nach – besonders
hervorhebenswert. so auch die kommentare zum artikel
’non maman‘


[ für heute: angekommen ]

März 1st, 2006

schnurrend zieht mein auto seine spur
gleich einem fuchs, der in den schatten
wandert, lauscht, der wittert, folgt den
fremden wegen an ihr ende nach – ich

fahre eine strasse über land, halte unter
pappeln. für heute bin ich angekommen

der weisse regen tritt zurück, lässt raum
dem licht, es fällt vom abend her, schräg
rosa färbt es den schnee, der mittags
gelb von gülle zwischen hecken lag und
nach verwesung roch

warm blies atem in mein ohr, so gross
die liebe, in mein fell gehaucht

wenn ich dir unverborgen schreibe, lies
es unverborgen. nicht immer trommle
ich über den menschenschatten; es gilt
zu wiegen jedes wort, den klang und
stille auch, den spuren nachzufolgen
an ihr letztes ende

(für heute bin ich angekommen)


[ kamika(t)ze ]

Februar 28th, 2006

dass ich noch lebe, ist vielleicht ein glück; allerdings ist dies
auch eine frage des standpunkts und der sympathien …
jedenfalls bemerkte ich das glatteis erst, als ich knapp vor
der kurve stand und viel zu schnell. genau genommen war
es keine kurve, sondern ein verkehrskreisel – und wie ich
da heil hindurch gekommen bin, bleibt mir ein rätsel, das
gegen die gesetze der physik zu lösen ist. dass ich schlag-
artig hellwach war, weiss ich noch, dass ein fuss auf der
kupplung tippelte, dass ich mit nur zwei fingern das lenk-
rad dirigierte wie meine lebenssymphonie … und dass am
ende nur fragende verwunderung war, keine angst

‚hunger‘, lag im mauzen der katze und ‚hunger!!!‘ brüllte
sie, nachdem ich ihr zu essen gegeben hatte. aber ich
kenne sie schon lange. am telefon erfuhr ich, dass das
miese stück eiskalt eine show abgezogen hat, auf die ich
– schlauer vogel – nicht hereingefallen bin. naja, nicht so
richtig, jedenfalls. nur dreimal

schnee senkte sich herab wie gnädiges vergessen, kaum
dass ich angekommen war. so still ist es geworden, am
ende der welt, friedlich fast. ich werde das auto ein paar
tage stehen lassen, werde so tun, als ob es keine termine
gäbe, keine erwartungen, nur stille und musik. ach ja –
und den tierischen hunger, unüberhörbar


[ harfen, pauken, schurkenpläne ]

Februar 23rd, 2006

‚ich hab was schönes‘, sage ich anstelle eines morgen-
grusses. ‚du hast sex gehabt?‘ fragt seine telefonstimme
dünn. ‚in meinem alter?‘ ich spiele ein gequältes lachen
er spielt wissend und ich äussere anhand der hinter-
grundgeräusche die vermutung, er zupfe nebenher
verzagt an seiner gitarre wie …

‚ernsthaft‘, sag ich, ‚ab diesem morgen wird dein leben
wieder bunter sein. lass deine genitale harfe sinken, jetzt
packen wir die pauke aus‘ und erzähle ihm von meinem
plan, der mich seit vergangenem abend begeistert: ‚wir
lachen uns weg und fahren eine zweite ernte ein‘

leider – ich kann heute nicht mehr über unser gespräch
an diesem musikalischen morgen berichten, aber ihr
werdet es ganz sicher bald erfahren. wie immer hier, in
diesem worttheater