Archive for Januar 21st, 2005

[ drücker, schwindler, schornsteinfeger ]

Freitag, Januar 21st, 2005

– oder – [ menschen taumeln. mukka pazza. befreite adler ]

– oder – [ pisa II und deutschlands dumme kinder ]

ich erwache. es klingelt zum zweiten mal. ich schiesse delphinengleich in die höhe, taumle zur wohnungstür: zu spät: die zimmertür nebenan hat sich bereits geöffnet, der drücker ist gedrückt, das schloss entriegelt, das „kommen sie hoch, hinterhaus, zweiter stock, links“ ist längst gesprochen. was bleibt ist ein taumeln, ein kreiseln, ein gegeneinandertreiben der kopfschalen auf dem hirnenrund

warum sind schornsteinfegermeister stets mittleren alters, stets blond, stets von wohl genährter erscheinung? es muss einträglich laufen, das geschäft der letzten ihres umtriebigen gewerbes. warum werden schornsteinfegermeister stets von glutohrigen assistenten begleitet, die stets blöde nebenbei stehen, glotzend bestaunen alles, was in ihr gesichtsfeld fällt? an diesem morgen: drei unausgeschlafene zeitgenossen (plus grossem ‚i‘), mehr oder weniger oder eher noch mehr weniger, also spärlicher bekleidet, unterschiedlichen geschlechts, wie schon gesagt, unterschiedlichen gesundheitszustands in einer wohnung, die für den nachbarshund alleine schon zu kleine (letzteres nur um des wortreims willen). dennoch; wirklich geschehen war: drei verschlafene, die ihre verschlafenheit mit einem zettel angekündigt hatten („nicht vor neun uhr dreissig!!“) – was gab es da also zu glotzen? – und zwei schwarzbekittelte versammelt in einer küche, die allein schon für den nachbarshund … der assistent glotzt. hat der noch nie eine zahnbürste gesehen? in einem mund? oder solche haare? an dieser stelle? junge, lass dir das gesagt sein: ich weiss, dass ich schön bin!

sie sind bereits nach drei minuten wieder aus der hütte – und dafür waren wir alle aufgestanden; das hatte dieses aufwands wahrlich nicht bedurft. „der abend ist klüger als der morgen“. eben. falls der nochmal was von uns will, der schwarze feger, wird er dreimal klingeln müssen …

was blieb: der schwindel. beharrlich. selbst im liegen ein taumelndes kreisen, ein wendeln, ein strudeln. und ‚kopf an‘ war trumpf, kein weiterschlafen möglich; wie auch: zahnbürste im maul ist mein startsignal für den täglichen … ‚kampf‘, wollte ich schreiben. ‚lampf‘ kam dabei heraus. beim korrekturversuch entstand ein ‚ampf‘ und damit bin ich endlich beim thema, das mich so sehr beschäftigte, dass ich mich gegen den schwindel, gegen die sehnsüchtige bettlust an den schreibtisch zwang: was mit den worten so passiert, und – wie oder – mit uns passiert, wenn wir das eine oder andere verlegen, verlieren, vergessen, verschieben, versäumen … genau dies: es entsteht neues, das nah beim nahen liegen kann, oder – wie der nie zitierte apfel aus südafrika – eben doch sehr weit vom stamm zu liegen kommt

der schwindel, zurück zum thema, endlich: der kreisende. der kreiselnde. der schwindelnd schwindende – und: zack! daneben. wobei es doch so gleich klingt, klingte. klänge. aber so nah liegt die lüge eben dem verfall: der schwindel dem schwindeln wie dem schwund

womit wir bei ‚pisa zwei‘ angelangt wären, dem wiedergekehrten postulat für deutschlands blöde kinder: nein, sie sind nicht schuld, die kleinen, die dummchen. ihr müsst – immer noch – die alten prügeln; und genau: so wird es euch nicht gelingen. ob es gewünscht sei, ist die ganz andre frage, die ich gerne – wiederholt – berede: sicher nicht. denn gefährlich sind sie, die mit worten klingelnd spielen können, wie mit den perlen, die ihr den säuen vorgeblich zum speisen reicht. lüsterne zungen spielen frech mit worten: sprachlust, libido gelallt (da worte stören, wo die zunge spielt) – es liegt beinander, eng; was uns verbindet, ist was mich so freut und euch so schmerzt, ihr armen kinder dummer

was schon die dritte brücke war zur kuh, die blökt, mit schmerzendem gehirne: mukka pazza°, das verrückte hornvieh, das ich erhebe, hiermit vorgeschlagen als neues deutsches wappentier: weg mit dem adler, her mit dem huftier, rauf die kuh aufs banner

ein gar malerisches bild: allgäuer höhenvieh mit blöde verdrehtem auge (zunge muss raushängen und triefen). da würde sich so manche, mancher wiederfinden. und – ach! – erinnere ich mich des jungen schornsteinfegerburschen von heut morgen, mit dem wunderlichen blick: nichtverstehen auf zu weitem felde

womit wir ein schönes ende gefunden hätten: wir liegen beieinand vereint, im abschlussbild, arm in armen auf der heimatscholle, die nicht nach alten fischen riecht, nein, stinkt nach kommunalem schlamm vom klärwerk nebenan, die mukka muht und pazzt und stirbt, drei schornsteinfeger ziehn vorbei am rand und winken treulich, am himmel kreist ein adler schwarz, gezaust, aber befreit, er schwingt sich hoch und höher im aufwind über kraftwerkstürmen – biblis, scheint´s mir, ist nicht am dichtesten? – ich trällere ein liedelein, ein altes: „tsen brider sajnen mir gewesn hob’n mir gehandelt mit lajn, ejner is von uns gestorb’n, is geblib’n najn“, auf jiddisch, ja, bis zur letzten strophe. „ejn bruder bin ich mir gewesen, hob ich mir gehandelt mit licht, schterb’n tu ich jeden tog, weil tsu esn hob ich nit.“

damit hätten wir das mit der faschistenhymne auch geklärt, ein für alle mal. oder?

° mucca pazza (italienisch) – verrückte kuh