[ ’santé‘, morgenbüttel! ]


 

öffne nicht die augen, wenn morgens diese leute
an deine scheibe klopfen; sie wollen nie besseres
als deine ruhe stören. ich sage dir: es ist ein fehler

aber ich bin das gewohnt, als dreiundvierzig jahre
lang unter adlers fittichen trainierter. sie kommen
immer wieder und wollen immer irgendetwas ihnen
wichtiges. heute: schmiergeld

nehmt es hin, irgendwie habt ihr es auch verdient
als vielbespottete boten der macht, als beisser, als
zwinger, als schläger, träger uniformierter selbst-
herrlichkeit, nicht wahr? „büttel“ (zitat) eben oder
auch „nichts denkende befehlsempfänger
(zitat)

nach telefonischer anweisung handelnd, da sonst
unbewegt und blöd, krakelten sie eine quittung
auf der motorhaube meines reisemobils. das war
immerhin besser, als den anblick eines am rande
seines vermögens bemühten erleben zu müssen
in einem ihrer nach angst und pisse stinkenden
quartiere, der mit steifem finger eine mittelalter-
liche tastatur zu bedienen sucht – ganz wie einer
dieser peinlichen „büttel“ (zitat) eben, wie be-
kannt, wie gewohnt, wie immer

mein unbotmässiger verbaler verstoss gegen das
staatswillige duckmäusertum ist somit formal ab-
gestraft, der staatsanwalt kann sich beruhigt im
schlafe wenden, träumend, als einer der letzten
helden die gefährliche revolution im allerletzten
augenblick entdeckt und zerschlagen zu haben
und seine siegreichen gladiatoren werden sich
schwarz gebrannten schnaps in ihren dienstkaffee
schütten, auf ihren grossen mut anstossen, stolz
sein darauf, einen derart grossen fisch geangelt
zu haben, am morgen, am rande des flughafens
einer süddeutschen provinzstadt

ja

mein ’santé!‘ darauf, dass diese gesellschaft einst
den mut und die kraft finden möge, auf derartige
funktionsträgerInnen zu verzichten
 

scan: hochoffizielle schmier-geld-quittung morgen-
aktiver geldbüttel, in keilschrift niedergelegt auf
polizeilichen fresszettel, am 07. august 2005
in friedrichshafen am bodensee


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