[ tarantula ]

Juli 24th, 2006

wir waren baden, sagt er, lächelt schräg, zeigt einen
bluterguss am hals. ein ungeheuer, sage ich und:
sowas ist doch unmodern. er lacht verbogen und
vergisst darauf, was dringend noch zu sagen war

das war der kuss des spinnenmädchens, entnehme
ich den worten eines freundes, das hat ihn eingefangen
für die stadt. gut so, denke ich, wie eine wolke zog der
abschied auf, es war zu sehn, es lag in seinen fragen

und du? von heut auf heute ziehst du fort. es musste
sein. es ging um dich, sagst du, und: dass es um die
anderen ging. doch; ich verstehe schon. ich kann es
spüren. du brauchst jetzt nicht mehr meine hände

also die richtungen beschrieben sind, gehn alle aus-
einander. noch eben dachte ich, dass es ein mitein-
anderher sei. loslassen? loslassen. aber es schmerzt
mich. jetzt
. es ändert nichts, minuten zu zählen wie

pflastersteine und die ritzen auch. nun ist es zeit, an-
lauf zu nehmen für den grossen sprung und … diesen
auch zu tun. die selbe frage gilt auch mir, nicht wahr?

nicht wahr?


[ unser dilemma II ]

Juli 23rd, 2006

unser dilemma ist das schweigen
nur wer den himmel hat, hat geigen

ich werd den teufel tun, mich jetzt schon
auszuruhn, es mit der masse tun

ich will was ändern an uns beiden
unser dilemma ist das schweigen


[ gedankenmühle ]

Juli 22nd, 2006


 

hundert sätze verstossen
den einen halten ist mein
tagewerk. die dummen
steine mahlen ohne rast
staub und sterne
 

foto: peryton im burnt out studio
friedrichshafen, 03. august 2005
copyrights: t. sommer ©


[ josé ]

Juli 21st, 2006

zé! noch einmal: zé! dann seinen vollen namen. erst als er
direkt neben meinem tisch geht, nimmt er den blick vom
strassenpflaster auf, sein lächeln weitet sich und legt sich
sanft in meine augen. wir schütteln hände und ich sage
nicht, dass ich erwartet habe, ihn zu sehen; er scheint in
eile. geht’s dir gut? die brauen furchend prüft er mein ge-
sicht, um noch im selben augenblick die kamera zu mir zu
schieben, in den schatten: das ist nicht gut für sie. und
schon ist er davongeschwebt, du rufst mich an!?, die map-
pe unter einen arm geklemmt, die haare, glänzend, sind
zurückgestrichen. ein gut aussehender mediterraner, der
sich zu zeigen weiss: josé


[ rosenhöhe V ]

Juli 20th, 2006


 

lichtspiele hängen zwischen ast und grün
durchglühn das holz. mir fehlt die stille

in gräberreihen stehen rosen. vater! spricht
mein mund und deinen namen leiser, der
springt als eine murmel über kies davon, der
schabt sich rauh in meiner kehle, wenn

sie singt
 

foto: rosenhöhe, darmstadt, 15. juli 2006

[ streiten wir … nicht ]

Juli 19th, 2006

es ist in ordnung. dazu sage ich nicht viel. was du für richtig
hälst, hälst du für richtig. wir könnten darüber streiten, ob
ich das machen würde. würd ich nicht. nicht so. und weil du
das schon weisst, müssen wir auch darüber den streit nicht
führen. ja. selten waren wir uns eins in der verschiedenheit


[ brain-washing-school ]

Juli 18th, 2006

– rechtslastig: vollwaschprogramm –
 

der folgenden beitrag wirft in polemischer verkürzung
die allzu unkritisch beliebten und besuchten ‚waldorf-
schulen‘ in den dreck ihrer pädagogischen wirklichkeit

gar zu sensiblen kreaturen wird empfohlen, diesen
beitrag freundlichst zu überblättern. es gibt im pery-
ton-weblog bekanntermassen eine reichliche aus-
wahl, die es jenen erlauben müsste, mit erbaulich-
eren themen die überflüssige zeit totzuschlagen
 

arme tierchen. nach dem esotherischen ‚morgenkreis‘
kommt’s schlag auf schlag: gehirnwäsche nach steiners
menschen-formungs-mustern. weil die kleinen blöder
sind und lernen müssen, von den grossen, ohne wider-
wort, denn das ist ungeziemlich und es wird bestraft
(die harten worte werden gern mit seife aus dem mund
gespült, das ist bekannt und immer wieder tagesaktuell)

oder kaputt zentrifugiert in der absurden weltenlogik, die
– würde es nach logik gehen und nach wissenschaft – als
‚psychotisch‘ durchgehn könnte, ohne in der kürze dieses
wortes falsch zu liegen. (ihr müsst den steiner nur mal
lesen, leute. das hat was von ‚mein kampf‘: die meisten
reden drüber, ohne eignes wissen. aber beide haben vor
der tat geschrieben. dem steiner wurde bis zum sterben
gar jedes wort vom munde wegstenographiert. in einer
‚gesamtausgabe‘ ist die gesamte qual, das reichliche ge-
plapper bis heute nachzulesen und – bedarf? – -zubeten)

die ‚zeugnissprüche‘ trichtern ein nach alter regel und
wenn das arme kind noch kind geblieben ist, brichts in
der ‚menschenhandlung‘. einem ‚gottesdienst‘, obwohl
der unterricht gar selbst als religiöse handlung ange-
legt ist, um die geheimlehre subtil ins kind zu bringen
(das ist ein waldorfschulen-fundament, es lässt sich
nachlesen und … leugnen. selbstverständlich. oder
– das ist gesellschaftliche norm – auch übersehn)

jaja, die lieben grossen, diese weltenretter, die im muff
von tausend jahren wandeln, die freundlichen ökos von
nebenan, die immer-schon-gegen-das-atom-gestande-
nen, die mit den staubigen keksen, die mit den fleckigen
äpfeln, als das noch gänzlich unmodern war. und über-
flüssig wie ein kropf (allein mit diesem halbsatz schon
verstiess ich gegen regeln) füge ich hinzu: die lächelnd-
brutalen, die waldorf-taliban. was hinter klingelfloskeln
wie der ‚makrokosmischen wesenheit‘ an wahn verbor-
gen liegt, das bleibt vom glanz des führers überstrahlt
und unbegriffen
 

scan: rechtslastig
vollwaschprogramm im juli 2006
mit besonderem dank an frau g.


[ zeit rennt ]

Juli 17th, 2006

was soll ich tun? die zeit rennt davon und ich stelle mir selber
ein bein. damit ich nicht hinterher komme, würdest du sagen
oder: was fällt dir ein beim wort ‚unbeweglichkeit‘? da fällt mir
gar nichts ein, weil dieser zustand gänzlich unmöglich, gera-
dezu undenkbar ist. unbeweglich sind immer die anderen. sa-
ge ich. und du guckst seltsam. (hast du etwa nicht verstanden
dann müsste ich mehr dazu sagen. noch mehr. es war doch
schon zuviel. aber ausreichend: unbeweglich sind die andern)


[ nachher ]

Juli 16th, 2006

nachher bemerkte ich, dass ich nicht lächeln konnte. obwohl
ich mich so tief gefreut hatte, dich dort zu sehen. die mund-
winkel, sie waren angezurrt an meinen backenzähnen – das
festhalten der worte
hielt bei mir noch an. und: müde war ich

statt deiner fröhlichkeit nahm ich kaffee (der ohne wirkstoff
war, der schwangeren wegen) und schaute an der bunten
bäuerlichkeit streng vorbei: ich hab’s verdorben, wieder mal

manchmal kann ich nicht anders. ist das entschuldigung? du
kennst mich doch so lange schon …


[ deppert langt ]

Juli 15th, 2006

– kontrollierte kontrolle-
 

er ist so sehr alltag, dass er weithin unbekannt ist, als
ein wort. als ein begriff. sogar als tatsache, weil er zu-
meist nur jene trifft, die übersehen werden, das ist uns
ganz normal: sozialrassismus. die etwas deppert schau-
enden beamten fühlten sich gestört, bei ihrer kontrolle
der ärmeren und konnten nicht viel dazu sagen. natürlich
auch nicht antwort geben über ihr motiv – wer kann das
allgewohnte schon erklären, zumal in uniform?

ach ja, hier weiss ich mich umlallt von deutscher leitkul-
tur: deppert langt und blank geputzt müssen die stiefel
sein … das heisst: solange du weiss, deutsch und reich
genug bist, in der mitte dieses stroms zu schwimmen
 

foto: kontrollierte kontrolle
friedrichshafen, 21. mai 2006


[ und weil … ]

Juli 14th, 2006

weil in den letzten tagen so viel passiert ist (wovon ich dir nicht
erzählen konnte) und weil du bald geburtstag hast, irgendwo

weil sommer ist, dennoch. weil ich viel zu weit weg bin von
marseille und manchem gedanken, der mich weiter brächte

und auch von dir. auch: weiter fort (ich sprach davon, nicht
wahr? ja: ich redete im kreis und kam nicht los; es hält mich)

und weil wir bald ‚fertig‘ sind, mit der neuen platte. deshalb
nicht nur für dich, sondern auch für alle andern: von herzen

(und weil ich mir einrede, dass ein gruss ankommt. irgendwann)

„comme à marseille“ (premaster)
(ogg; 5,0mb) (mp3; 8,7mb) (text)


[ songliste berlin (03. juli 2006) ]

Juli 13th, 2006

1. wenn ein tag beginnt wie jeder
2. jedesmal [text]
3. unter der asche
4. dieses land [text]
5. wind von süd (evian)
6. in jedem stück

‚zimmer 16‘, berlin-pankow, 03. juli 2006, 21:30 – 21:50 uhr


[ lebensfragen ]

Juli 12th, 2006

könntest du xxx das messer abnehmen – ich hätte
das eben fast im bauch gehabt, bat sie mich. aus-
gerechnet mich. ich bin ein feigling

muss das jetzt sofort sein? ich würde gern noch
ein wenig weiterleben, sagte ich, vielleicht später


[ lindenhof ]

Juli 11th, 2006

… our monthly soap

gemein? gemein. nicht zutreffend – vor allem: über-
raschend anständig. ungewohnt keusch

wenn du die fragen anders stellst, dann kommen andre
fragen – wer will das schon. wer. wer will? und: schon??

also doch: our monthly soap. die hauptdarsteller sind
bekannt, das ende ist vorauszusehen, jedesmal … na
und? (siehst du: das ist ‚treue‘)


[ wehrsportgruppe ‚deutschland‘ ]

Juli 10th, 2006

rausgeschmissen. ausgeschissen. die wehr-
sportgruppe ‚deutschland‘ hat verpasst den
endsieg. welch ein glück. das neue, von den
medien unisono hochgepriesne ‚wir‘-gefühl
befördert nicht nur moden: die glatzen sind
nicht schick, sie sind kein thema mehr

das ölbildglück der deutschen lande ist ein
relatives, das ohne grenzen nicht zu halten
scheint und schamlose parolen: ‚zu gast bei
freunden‘ heisst das dann. doch wer ein gast
ist, das bestimmen ‚wir‘, die hochgeschätz-
ten philosophen, dichter, fussballspieler und
die taxifahrer: wer nicht dazu gehört, muss
weg. doch vorher in den knast, weil nicht-
dazu-gehören kriminell ist, nicht-deutsch-
sein bestraft sein muss: ‚abschiebegewahr-
sam‘ heisst das dann – und weil die recht-
losigkeit gleichermassen allen fremden zu-
geteilt wird, gilt dies für jugendliche auch
und auch für kinder. allein in deutschlands
hauptstadt sind das über 100 stück pro
jahr (da sind wir stolz drauf, oder nicht?)°

wie – ’stück‘ war nicht ‚pc‘, nicht angemess-
en nett gesagt? das mag ein einwand sein –
doch hat statistik ihre eignen ausdrucksfor-
men. wo eine fischereistatistik in gewichts-
anteilen, kilo, tonne, rechnet, nicht in lebe-
wesen, stört das nicht. beim jäger heisst
die zahl der in den deutschen wäldern hin-
gerichteten die ’strecke‘ oder das ’stück
wild‘. na also: wenn’s um die lebensrechte
geht, in deutschland, spricht man von toten
zahlen

° –
statistik des bundesinnenministeriums
zur abschiebung minderjähriger
(quelle: flüchtlingsrat nrw. e.v.)


[ schnappschuss: dreads ]

Juli 9th, 2006


 

ein schnappschuss … und dabei s. getroffen
 

foto: biblis, 29. april 2006


[ später schweigt ]

Juli 8th, 2006

ich würde mit dir geredet haben. oder geschwiegen, vielleicht
wäre das gut gewesen, besser. manchmal reicht das. wie vor
einer tür angekommen sein und sie nicht öffnen. manchmal
genügt das, für dieses erste mal. später kommt. später hat
augen und einen mund

quel est ton nom? meine ersten worte in fremder sprache, vier
jahre alt war ich und das mädchen draussen auf der strasse
von irgendwo zu besuch. mehr als diese worte zu lernen fehlte
die zeit, ich lief heissköpfig hinaus und legte ihr mein herz zu
füssen: quel est ton nom?

ihren namen hörte und vergass ich. sie lachte hell, lief mit den
anderen kindern davon, der blonde wuschelkopf leuchtete, ich
schaute ihr nach, erstarrt, zu schüchtern, hinterherzurennen –
aber ich hatte sie gefragt. später kommt. später träumt. spä-
ter hat augen und hat einen mund


[ auf halbmast. berlin ]

Juli 7th, 2006

aus. jetzt wohnt die stille in der stadt. ton-
los starrt der handymann zur seite, hand am
ohr. ampeln stehn auf rot. selbstvergessen
popeln wartende in graumelierten nasen, ein
strichbaby macht gähnend feierabend: wei-
nerliche ficker sind die schlimmsten. wortlos
schiebt man currywürste übern tresen: keine
eile mehr. die totenstille nach den grossen
gesten

selbst der heisse wind scheint zu flüstern. er
schraubt sich in spiralen auf, packt erschöpfte
siegeswimpel, die gestern steif und strotzend
schwarzrotgoldne hahnenkämme waren, an-
geschwollen vor dem grossen kampf – aus. ‚wir‘
sind verloren. ‚wir‘ ham verspielt. ‚wir‘ lassen
aufgereckte arme wieder sinken: geschla-
gen. geohrfeigt. gemeuchelt. totgeschossen. ein
volk schleppt sich in trauer

und was in jämmerlichen resten sackt, herab-
hängt, nachschleift, in den gossen staubt, sieht
heute mehr denn gestern aus wie windeln, aus-
gebrauchte: der deutsche arsch hat blutig aus-
geschissen seinen stolz


[ songliste tangermünde (30. juni 2006) ]

Juli 6th, 2006

part I

1. in jedem stück
2. natürlich [text]
3. und eine frühlingsbläue
4. mach nen punkt
5. dieses land [text]
6. spiessersong
7. da du gehen musst
8. gestern war es [text]
9. es ist noch nicht gelungen
10. wind von süd (evian)
11. monolog der erinnerung [text]
12. besse en chandesse
13. ne tirez pas!

part II

14. wenn ein tag beginnt wie jeder
15. manicalea
16. als ich bei dir war
17. jedesmal [text]
18. unter der asche
19. harte tage
20. feuer und rauch
21. mein herz
22. unser dilemma ist das schweigen [text]
23. das meer
24. trash behind your house
25. asyl

zugaben

26. mein vater war ein nazi
27. heut wein ich
28. sagt der wind
29. geh zu ihr
30. zwischen uns die jahre
31. kinderficker [text]

‚lesecafé‘, tangermünde, 30. juni 2006, 21:00 – 0:30 uhr


[ blühende bastarde ]

Juli 5th, 2006

heute ist mutter-mit-kind-tag in kreuzberg, wollte
ich schreiben und stoppe, noch immer irritiert von
der feststellung, beinahe zwei wochen lang keinen
eintrag in mein notizbuch gemacht zu haben

leere eisbecher kippen von den tischen. wäre ich
aus pappe, auch ich würde mich treiben lassen, mit
dem sommerwind; allein schon wegen den hilflosen
menschenblicken hinterher

im haus gegenüber wohnt eine jugendfreundin. ich
habe ihren namen an der klingelleiste wiedergefun-
den. sie ist ahnungslos, da oben hinter irgendeinem
dieser hohen, gründerzeitlichen fenster, ob meiner
blicke hinauf. und sie soll ahnungslos bleiben

rechts ein kleiner park. schrundige holzbänke war-
ten im schatten gelb blühender bäume. die jenseits
der strasse, hinter dem damm der s-bahn-trasse
fruchten schon. es ist eine frage der art °, stelle ich
fest, genauer hinschauend

na siehste: die bastarde machen das leben erst
bunt – nicht einzig unter bäumen

° winter-linde (tilia cordata)
krim-linde (t. x euchlora)